Jahresrückblicke. Charts. Best Ofs. Die gehören zu dieser Jahreszeit wie die 3D-Brille zum Marvel-Film. Wie Alexander Horwath zur Oscar-Nacht. Wie die Nacktszene zu einem Monica Bellucci-Film. Wie die Augenringe zur zweiten Viennale-Woche. Und natürlich seid ihr auch hier vor solchen Listen nicht sicher, zumal ich dank Moviepilot einen sehr konkreten Überblick darüber habe, was ich 2017 gesehen (und gemocht) habe. Doch bevor es ans Eingemachte geht, noch ein bisserl Statistik. (Ich mag Zahlen. Wer Zahlen nicht mag, kann den folgenden Teil gerne überspringen bis zur Liste der Top30-Kinofilme des Jahres 2017).
Im Jahr 2017 habe ich insgesamt 181 Filme neu gesehen, darunter mit Disaster Movie meinen absoluten Nullpunkt (es würde mich wundern, wenn noch irgendein Film in Zukunft diesen unterbieten könnte). Insgesamt war ich aber gnädig (bzw. hatte einfach ein gutes Händchen), denn mit einer Durchschnittsbewertung aller neu gesehenen Filme von 6,5 kann man durchaus zufrieden sein.
Was die Medien betrifft, so ist das Kino bei mir nach wie vor der Ort, an dem ich Filme sehen möchte. 106 Filme habe ich im Kino auf der großen Leinwand genossen (davon zwei, nämlich Baby Driver und Araby, gemeinsam mit 15.000 cineastischen Gelsen im Sommerkino). Dazu kommen noch zwei oder drei Kino-Sichtungen von Filmen, die ich schon kannte, zuletzt Der Zauberer von Oz im wunderbaren Filmmuseum. Meine Kinobesuche hatte ich in Wien, in Graz (wo ich zum ersten Mal die Diagonale besucht habe), Ludwigsburg, Rio de Janeiro und Budapest.
Nur drei unter insgesamt 181 neu gesehenen Filmen habe ich im Fernsehen genossen. Und alle drei haben eher durchschnittliche bis unterdurchschnittliche Wertungen erhalten. Für mich spielt dieses Medium also so gut wie keine Rolle mehr.
Anders sieht es bei den DVDs aus, wo ich nach wie vor ein Regal ungesehener Filme abarbeiten darf. 60 Silberscheiben habe ich 2017 in den DVD-Spieler geschoben für eine Erstsichtung, darunter meinen persönlichen Film des Jahres, Satanstango. (Dieser ist zur Nachahmung allerdings nur bedingt zu empfehlen, wie man meiner Rezension entnehmen kann.)
Andere Medien wie Streaming-Dienste spielten 2017 noch keine allzu große Rolle bei mir – 12 Filme habe ich auf diese Weise neu entdeckt. Das wird sich aber 2018 mit Sicherheit ändern, denn seit kurz vor Weihnachten bin ich im Besitz eines Netflix-Accounts.
Insgesamt 32 Filme (unabhängig vom Medium) kamen in den Genuss einer Bewertung von 8,0 Punkten oder mehr. Umgekehrt haben nur 16 Filme eine Bewertung von 4,0 oder schlechter erhalten – und nur 2 sind mit 2,0 oder schlechter abgestraft worden, das schon angesprochene „Disaster Movie“ und Ostinato Destino (trotz Monica Bellucci und den unvermeidlichen Nacktszenen). Ich sagte ja: Ich war gnädig.
Für meine Bewertung der Filme des Jahres konzentriere ich mich nun – wie jedes Jahr – ausschließlich auf Kinofilme. Sprich: Ich muss den Film 2017 zum ersten Mal in einem Kino gesehen haben (auch Freilichtkino zählt). Dabei spielt es nun keine Rolle, ob es sich um einen neuen Film handelt oder einen, der im Rahmen einer Retrospektive oder einer Sondervorführung auf der großen Leinwand gezeigt wurde, wichtig ist das Medium Kino. Der Grund für diese Eingrenzung: Ich mag eben Kinos und unterstütze diese auch gerne. Das heißt auch, dass zB „Satanstango“ hier keine Erwähnung mehr findet.
Und das sind nun meine Top30-Kinofilme des Jahres (die Top10 werden zudem noch etwas ausführlicher vorgestellt):
- Ich, Daniel Blake (von Ken Loach)Der allererste Film, den ich 2017 gesehen habe, ist gleichzeitig mein Film des Jahres. Kein anderer Film hat mich 2017 so sehr berührt und mitgenommen wie Ken Loachs Geschichte eines Zimmermanns, der nach einem Herzinfarkt in die mitleidslosen Mühlen der Bürokratie gerät und in einem heroischen Kampf versucht, sich seine Menschenwürde zu bewahren. Erschütternd und aufwühlend und dennoch voller liebevoller zwischenmenschlicher Momente und gelegentlichem Humor.
- The Florida Project (von Sean Baker)Ein warmherziger, farbenfroher und irrsinnig witziger Film, unter dessen Oberfläche sich das Drama der amerikanischen Unterschicht entfaltet. Sean Baker folgt der jungen Moonee, die in der Motelanlage, in der sie mit ihrer mittellosen, überforderten Mutter lebt, den Sommer verbringt und dabei mit ihren Freunden im Grunde nur Quatsch macht und den Hausmeister (Willem Dafoe in einer seiner allerbesten Rollen) an den Rand der Verzweiflung bringt.
- Blade Runner 2049 (von Denis Villeneuve)“Blade Runner“ von Ridley Scott ist mein absoluter Lieblingsfilm, und von daher war ich skeptisch, ob die Fortsetzung von Denis Villeneuve dem Original gerecht werden kann. Doch meine Befürchtungen waren unbegründet. „Blade Runner 2049“ ist ein faszinierendes, opulentes und – wie auch das Original – philosophisch anregendes Science Fiction-Drama, das mit schier unglaublichen Bildern und einem tollen Cast überzeugen kann.
- Die Beste aller Welten (von Adrian Goiginger)Der beste österreichische Film seit langem. Adrian Goiginger erzählt die Geschichte seiner Kindheit, sein Aufwachsen in einer kleinen Wohnung in Salzburg zusammen mit seiner drogenabhängigen Mutter und ihren Freunden, die ebenfalls samt und sonders an der Nadel hängen. Goiginger erzählt diese Geschichte aber nicht als sentimentales Rührstück, sondern aus der Perspektive unschuldiger Kinderaugen – und gerade dadurch wirkt der Film so stark auf sein Publikum. Ein großartiges Debut.
- Dunkirk (von Christopher Nolan)Ein Film, der sich schon recht früh im Jahr in eine gute Position für die Oscars geschoben hat – und das völlig zurecht. Christopher Nolans Kriegsdrama überzeugt durch eine außergewöhnliche, elliptische Erzählweise, einen herausragenden Sound und einer für einen Kriegsfilm erstaunlichen Nüchternheit. Ein sehr untypischer Genre-Beitrag und gerade dadurch auch wieder typisch Nolan. Der Mann macht einfach extrem gute Filme.
- Detroit (von Kathryn Bigelow)Auch wenn das Drama rund um die Rassenunruhen des Jahres 1967 in Detroit im letzten Drittel etwas abfällt, ein völlig verdienter und klarer Top10-Film für mich. Wuchtig und für den Zuseher fast physisch schmerzhaft wird hier in einem dokumentarisch anmutenden Stil die Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung durch Polizeigewalt geschildert. Ein eher sperriger Film, aber wenn man sich von ihm mitreißen lässt, hallt er sehr lange nach.
- Coco – Lebendiger als das Leben! (von Lee Unkrich)Der neueste Streich von Pixar ist wieder ein kleines Meisterwerk. Die Benchmark wird für mich weiterhin „Inside Out“ bleiben, aber „Coco“ steht dem Film kaum nach. „Coco“ ist nicht nur visuell toll gemacht, sondern auch mit viel Humor und Herz ausgestattet, ohne dabei sentimental aufgesetzt zu wirken. Und „Coco“ ist eine wunderbare Hommage an Mexiko und dessen Familienbewusstsein.
- Jahrhundertfrauen (von Mike Mills)“20th Century Women“ von Mike Mills ist ein sehr eigensinniger Film, der einen ganz eigenen Rhythmus hat. Es geht um Generationenkonflikte, familiäre Konflikte und die Frage, was überhaupt Familie ausmacht, es geht um die Emanzipation der Frau und die Neuverhandlung gesellschaftlicher Normen. Getragen wird der Film von einer wie immer überragenden Annette Bening, aber auch der Rest des Casts weiß zu überzeugen. Einfach ein kluger und gleichzeitig charmanter Film, der mit Leichtigkeit die großen gesellschaftlichen Fragen behandelt.
- Logan – The Wolverine (von James Mangold)Ein eher überraschender Top10-Entry, denn mit dem ersten Wolverine-Solofilm konnte ich so gut wie gar nichts anfangen. „Logan“ aber ragt auch aus den vielen guten Marvel-Verfilmungen noch deutlich heraus. Ein zutiefst melancholischer und gleichzeitig blutiger und harter Action-Film, der gleichzeitig als Abgesang auf die X-Men gesehen werden kann.
- Western (von Valeska Grisebach)2017 bin ich zum Valeska Grisebach-Fan geworden – mit nur zwei Filmen. „Western“, ein Zufallsfund an einem einsamen, langweiligen Abend in Ludwigsburg, und „Mein Stern“, ihrem Debütfilm, der im Rahmen der Viennale gezeigt wurde. „Western“ ist lakonisch und zugleich zutiefst menschlich. Es geht um die Suche nach Zugehörigkeit – und die Schwierigkeit, wenn diese Suche durch die Beschränkungen der Kommunikation unterlaufen werden. Geschickt spielt Grisebach mit Western-Klischees und überträgt diese auf das Milieu von ostdeutschen Bauarbeitern in Bulgarien.
- Eine fantastische Frau (von Sebastián Lelio)
- Manchester by the Sea (von Kenneth Lonergan)
- Star Wars: Die letzten Jedi (von Rian Johnson)
- Die Taschendiebin (von Park Chan-wook)
- Mein Leben als Zucchini (von Claude Barras)
- Lucky (von John Carroll Lynch)
- Guardians of the Galaxy Vol. 2 (von James Gunn)
- Licht (von Barbara Albert)
- The Salesman (von Asghar Farhadi)
- T2 Trainspotting (von Danny Boyle)
- Planet der Affen: Survival (von Matt Reeves)
- Lion – Der lange Weg nach Hause (von Garth Davis)
- Sieben Minuten nach Mitternacht (von Juan Antonio Bayona)
- Loveless (von Andrei Swjaginzew)
- Es (von Andrés Muschietti)
- Aquarius (von Kleber Mendonça Filho)
- Downsizing (von Alexander Payne)
- Mr. Long (von SABU)
- Die rote Schildkröte (von Michael Dudok de Wit)
- Get Out (von Jordan Peele)
That’s it. Nicht mit dabei bzw. knapp an den Top30 vorbeigeschrammt sind u.a. die trotzdem sehr gern gesehenen und phasenweise in diesem Filmjahr heiß diskutierten Moonlight, Wilde Maus, Spider-Man: Homecoming, Happy End, mother!, Kingsman 2: The Golden Circle, Baby Driver, Wonder Woman oder Aus dem Nichts. Das allein zeigt schon, wie gut das Filmjahr 2017 zu mir war.
Und wie sieht es mit euren Filmen des Jahres aus?
Das sind beachtliche Zahlen! Ich selbst habe viel zu wenig Kinofilme gesehen, um seriös etwas dazu sagen zu können. „Denial“ fand ich 2017 ziemlich gut. Der taucht in deiner Liste gar nicht auf. Hast du den gesehen?
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Nein. Den kenne ich gar nicht. Muss ich mal auf meine To-Watch-Liste setzen. :)
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Tu das. Ich kann ihn nur empfehlen. Zum Film selbst hatte ich damals auch ein paar Zeilen geschrieben. https://magofilmtipps.wordpress.com/2017/04/10/film-verleugnung-ueber-die-redefreiheit-und-alternative-fakten/
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