Wer mich kennt, weiß, dass es nur wenig gibt, was mich aus der Ruhe bringen kann. Wenn beim All you can eat-Buffet das Dessert abgeräumt wird und ich noch beim Hauptgang bin zum Beispiel. Oder wenn nach 105 Reservierungswunsch-Eingaben für Viennale-Tickets der Computer abstürzt. Und auf jeden Fall, wenn die Oscar-Verleihung ansteht und es losgeht mit Nominierungen und Spekulationen um die möglichen Gewinner.
Seit heute ist bekannt, wer in welchen Kategorien um die begehrten Goldmännchen rittert. Hier gibt’s die Nominierungen im Überblick.
Im Grunde ist wenig Überraschendes dabei. In einem Oscar-Nominierungs-Tippspiel habe ich von insgesamt 103 Nominierungen ganze 77 erraten. (Nicht getippt wurden die Dokus und Kurzfilme). Lediglich in der Kategorie für den besten fremdsprachigen Film lag ich mit nur zwei richtigen Nominierten recht deutlich daneben. Aber hier spielt sich auch eine der größten Überraschungen ab. Der Golden Globe-Sieger „Aus dem Nichts“ von Fatih Akin befindet sich nicht in der illustren Reihe der Nominierten. Ebenfalls durch Abwesenheit glänzt in der Kategorie für den besten Hauptdarsteller James Franco, den ich für seine Leistung in „The Disaster Artist“ gerade noch hochgelobt habe. Franco dürfte allerdings über unschöne Anschuldigungen im Zuge von #metoo gestolpert sein, die ihm wohl die Nominierung gekostet haben. Auch „The Greatest Showman“, im Vorfeld hoch gehandelt, ist mit nur einer Nominierung (für den besten Song) so gut wie nicht vertreten. Überhaupt nicht vertreten ist „Wonder Woman“ von Patty Jenkins, den man zumindest in einigen Nebenkategorien auf der Rechnung haben konnte.
Über acht Monate ist es her, dass ich in meiner Review von möglichen Oscar-Chancen von „Get Out“ geschrieben habe. Dass es nun tatsächlich so gekommen ist und „Get Out“ in wichtigen Hauptkategorien, u.a. als bester Film, für die beste Regie (Jordan Peele), den besten Hauptdarsteller (Daniel Kaluuya) und das beste Original-Drehbuch, Nominierungen einheimsen konnte, überrascht dann doch. Aber: Call me Nostradamus!
Für mich gab es die größten Überraschungen bei der besten Regie. Gut, Christopher Nolan und Guillermo del Toro waren eine Bank. Mit Greta Gerwig konnte man aufgrund der aktuellen Sensibilisierung für die Selbstbestimmung der Frauen durchaus noch rechnen. Jordan Peele ist jedoch schon mal so ein Dark Horse, das es – für mich überraschend jedenfalls – geschafft hat. Paul Thomas Anderson hingegen hatte, obwohl ein genialer Regisseur, wohl kaum jemand auf der Liste, vor allem, weil dadurch Luca Guadagnigno (für „Call Me By Your Name“) und Martin McDonagh (für den in vielen Kategorien favorisierten „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“) auf der Strecke blieben. Damit läuft in dieser Kategorie alles auf Guillermo del Toro hinaus.
Die eigentliche Sensation der Oscars 2018 spielt sich allerdings in der Kategorie für die beste Kamera ab. Denn mit Rachel Morrison (für „Mudbound“) wurde zum ersten Mal in der Geschichte eine Frau in dieser Kategorie nominiert. Eigentlich unglaublich. Mich freut es sehr, dass nun dieser weiße Fleck auf der Landschaftskarte der Gleichberechtigung auch getilgt wurde. Möge das nur ein Anfang sein.
Und was meint ihr nun zu den Nominierungen? Wer fehlt? Wer gehört eurer Meinung nach nicht dorthin?
Wie du sagtest. Im großen und ganzen wie erwartet. Mit Wonder Woman habe ich allerdings in einigen Kategorien fest gerechnet. Das ist (für mich ) schon eine dicke Überraschung
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Auch ich habe mir mit „Wonder Woman“ was ausgerechnet. Tja, man wird immer eines besseren belehrt.
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Wobei ich sagen muss, dass ich den Film gar nicht gesehen habe. Ich dachte einfach eine Nominierung würde in die aktuelle Situation passen. FALSCH.
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Gespannt bin ich auf „Dunkirk“. Acht Nomis sind schon mal eine Bank. Und der Auslandsoskar hat für mich einen Wunschfavoriten: Lieblos (Russland) ist ein Drama, was mich sprichwörtlich den Atem stocken ließ so eine dichte Atmosphäre und dermaßen gute Inszenierung habe ich selten bei solchen Filmen erlebt.
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Ja, „Nelyubov“ wäre ein würdiger Sieger. Mein sentimentaler Favorit wäre aber „Eine fantastische Frau“ – ein großartiger Film. Leider deutet aber Vieles auf „The Square“ hin, den ich für überschätzt halte.
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Ich muss zugeben, dass ich keinen Film gesehen habe, und mich dieses Jahr auch kein Film außerhalb der Auslandsoscars reizt, aber rein von der Beschreibung der Filme kann ich bis auf Shape of Water keine Filmkunst oder einen aussagekräftigen Film ausmachen. Für Mudbound ist es schade, dass er es nicht in die Kategorie Bester Film geschafft hat.
Die Oscars haben sich dieses Jahr rein vom Anspruch her selbst unterboten.
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Nachtrag: Die dunkelste Stunde und Call me by your name könnte noch für mich persönlich interessant sein.
Grundsätzlich denke ich aber, dass bei einem Filmpreis eher anspruchsvolle Filme nominiert sein sollten, und da haben die Oscars zu viele Ausreißer. Wenn ich z.B. High hell or water nehme, der Film war spannend und unterhaltsam, das hat jeder so empfunden, aber es hat auch jeder zugestimmt, dass er nicht filmpreisverdächtig ist.
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Manchmal sagen es andere einfach schöner: *Bei allem was mir lieb ist, aber die Academy Awards werden scheinbar immer mehr zu dem, was sie ursprünglich wohl sein sollten. Tinnef auf dem Kaminsims.* http://www.zeit.de/kultur/film/2018-01/academy-awards-oscar-nominierung-fatih-akin?page=9#comments
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Mal schauen. Da gibt es noch zu viele nominierte Filme, die ich noch nicht kenne. The Shape of Water. Three Billboards Outside Ebbing, Missouri. Call Me By Your Name. Von denen erwarte ich mir sehr viel. Auch Dunkirk, den ich schon kenne, ist ein großartiger Film, der das Kriegsfilmgenre neu denkt. Die Einschätzung, ob’s ein guter oder mäßiger Jahrgang ist, maße ich mir erst nach Sichtung der Filme an.
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