Regie: Lynne Ramsay
Original-Titel: You Were Never Really Here
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Thriller
IMDB-Link: You Were Never Really Here
Der müde Joe (Joaquin Phoenix) ist jener Mann, den man fürs Grobe herbeiruft. Der Mann ist ein Profi: Seine Waffen beschafft er sich einfach im Baumarkt. Und wenn er mal losgelassen wurde, hämmert er fröhlich auf alles ein, was sich ihm in den Weg stellt. Natürlich hat so einer wie Joe eine Vorgeschichte, doch die wird nur angedeutet. Häusliche Gewalt durch den Vater, traumatische Erlebnisse – immer wieder kommen in Flashbacks Bilder hoch, die aber keine eindeutige Antwort geben. Nun hat Joe einen neuen Auftrag: Er soll die Tochter des Gouverneurs finden, der sich gerade im Wahlkampf befindet und damit die Öffentlichkeit aus dem Spiel lassen möchte. Man vermutet, dass Nina einem Kindersexring in die Hände gefallen ist. Und so zieht Joe los, um den Schurken mal ein paar neue Gedanken in den Schädel zu hämmern und das Kind zu befreien. Doch dann kommt es doch etwas anders als erwartet, und plötzlich ist Joe persönlich involviert. Lynne Ramsay erzählt die Geschichte von „You Were Never Really Here“ (so der englische Originaltitel, der mit „A Beautiful Day“ einen neuen englischen Titel bekommen hat, weil wir uns im deutschsprachigen Raum so schwer tun mit Wörtern wie never und really und here) auf eine unerwartete, aber umso passendere Weise: Die Gewalt wird kaum explizit gezeigt, sondern man sieht lediglich die Auswirkungen dieser. Unterlegt vom grandiosen düsteren Soundtrack von Jonny Greenwood (was Musik betrifft, kann dieser Mann einfach alles) entsteht so eine Atmosphäre der vagen Andeutungen. Vieles bleibt unausgesprochen, aber man kann sich als Zuseher schon sein Bild zusammenreimen. Auch verzichtet Lynne Ramsay, ihren gebrochenen und ambivalenten Helden zu sehr in Stereotype verfallen zu lassen. Immer wieder überrascht die Figur durch sehr menschliche Handlungen in unerwarteten Situationen, und man weiß, dass da einer ist, der selbst zutiefst verwundet ist und eigentlich gar nicht so sein möchte, wie er ist. Joaquin Phoenix spielt Joe mit einer unglaublichen physischen Präsenz und liefert tatsächlich einen weiteren Meilenstein in seiner ohnehin schon eindrucksvollen Karriere hin. Ich wittere Oscar-Nominierungen im nächsten Jahr für Phoenix, das Drehbuch, die Musik und vielleicht sogar für Regie und Film.
8,0
von 10 Kürbissen
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