Regie: Eszter Hajdú
Original-Titel: Hungary 2018
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Dokumentation
IMDB-Link: Hungary 2018
„We’re fucked.“ So lautete das Fazit der Interview-Führerin nach dem Q&A mit Eszter Hajdú und Sándor Mester, die 2018 den Wahlkampf des ehemaligen ungarischen Premierministers und nunmehrigen Oppositionsführer Ferenc Gyurcsány begleitet hatten. Das Ergebnis ist bekannt: Die regierende Fidesz-Partei von Viktor Orbán landete einen Erdrutschsieg und zementierte Orbán noch fester im Sessel der Macht. Das „We’re fucked“ bezog sich auf die Einschätzung, die die beiden Filmmacher und Gyurcsány in „Hungary 2018“ treffen: Das war vielleicht die letzte Möglichkeit, Orbán mit demokratischen Mitteln aus dem Sessel zu hieven. Denn was der Film schonungslos und für wirklich jeden verständlich aufzeigt, ist, wie die Regierung über die Kontrolle der Medien und eine ganz klar abgestimmte (Des)Informationsstrategie die Bevölkerung in eine Art Psychose stürzt, in der Angst und Hass die Pfeiler für Wahlergebnisse wie eben jenes von 2018 sind. Wozu braucht man eine Diktatur, wenn man absolute Machtansprüche auch mit den Instrumenten der Demokratie realisieren kann? Für Orbán und seine Fidesz genügt es, der Bevölkerung über die von der Partei kontrollierten Medien (und das sind 90% aller ungarischen Medien) immer wieder mit rhetorisch einfachsten Mitteln die Trinität des Bösen zu präsentieren: Die Einwanderer. George Soros. Die EU. Damit ist in Orbáns Welt alles erklärt, und es wird nichts in Frage gestellt. An einem Punkt meint ein hochrangiger Fidesz-Minister zum Auditorium: „Ich kann mit Ihnen sofort nach Paris fahren und einen ganzen Nachmittag durch die Stadt gehen. Wir werden keinen einzigen Weißen auf der Straße sehen.“ Und die Bevölkerung? Sie glaubt diesen Lügen. Denn wenn alle Medien das Gleiche berichten, dann wird es wohl stimmen, oder? „Hungary 2018“ zeigt auf, wie eine Diktatur funktioniert. Gyurcsánys Kampf um eine Umkehr von diesem Irrsinn ist ehrlich geführt, aber hoffnungslos. Denn wie eine Wahl gewinnen, wenn man von der Bevölkerung nicht wahrgenommen wird außer auf den Plakaten der Gegenseite, wo man zum ultimativ Bösen und Verräter stilisiert wird? „Hungary 2018“ zeigt auch, wie „Austria 2022“ sein kann. Lassen wir das nicht zu. Denn sonst sind wir fucked.
Für den Film, um noch mal eine Bewertung einzubringen, vergebe ich 7 Punkte und keine noch höhere Wertung, da er sich vielleicht ein wenig zu sehr auf Gyurcsány konzentriert und die (mit Sicherheit hochinteressanten) Stimmen des Wahlvolks dabei zwar nicht ausklammert, aber nicht so zur Geltung bringt. Gerade die Stimmen von Fidesz-Wählern hätten mich aber auch sehr interessiert. Wie denken Menschen, die eine solche Gehirnwäsche erfahren haben? Und wo könnte man bei ihnen vielleicht ansetzen? Das sind dringliche Fragen unserer heutigen Zeit, die der Film dann leider nicht wirklich berücksichtigt – bzw. angesichts der schwierigen Verhältnisse bei der Produktion (so wollten einige Crew-Mitglieder namentlich im Abspann nicht genannt werden aus Angst vor Repressalien durch das Orbán-Regime) nicht berücksichtigen kann.
7,0
von 10 Kürbissen
(Foto: CROSSING EUROPE Filmfestival)