The King (2019)

Regie: David Michôd
Original-Titel: The King
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Drama, Historienfilm, Biopic
IMDB-Link: The King


Zugegeben, ich war verwirrt. Da dauert ein Film über The King fast zweieinhalb Stunden, und kein einziger Hit wird gesungen. Kein Jailhouse Rock, kein In the Ghetto, kein Always on My Mind, kein Viva Las Vegas. Dabei brächte Timothée Chalamet die nötige verschlapfte Coolness mit, um den Hüften schwingenden Halbgott in Leder und Nieten glaubhaft zu porträtieren. Die Locken hätten halt noch schmalziger gehört, aber vielleicht ist den Friseuren am Set auch einfach die Pomade ausgegangen. Aber gut, Biopics sind ja nicht dafür bekannt, bis ins kleinste Detail akkurat zu sein. Irgendwann klingelte es aber auch bei mir. In „The King“ geht es ja gar nicht um „The King“, sondern um Heinrich V., seinerzeit König von England und dankbare Figur in Good Ole Will Shakespeares Dramen. Der trat die Erbschaft seines Vaters Heinrich IV. an und prügelte sich wirkungsvoll im Verlauf des Hundertjährigen Krieges mit den Franzosen bei Azincourt, denen er eine vernichtende Schlappe zufügen konnte, seinen Bogenschützen war Dank. Ganz genau so wie im Film dargestellt hat sich die Schlacht tatsächlich nicht, wie ich kurioserweise aus intensivem Wikipedia-Studium zufälligerweise gerade mal zwei Wochen vor Sichtung des Films erfahren habe (und Wikipedia ist ja, wie wir alle wissen, die verlässlichste Quelle ever), aber wenn man bedenkt, dass es sich bei David Michôds Film um eine fiktionalisierte Verfilmung eines fiktionalisierten Dramas über einen König, dessen Biographie sowieso immer von dessen Biographen beschönigt (oder von der Nachwelt verrissen) wird, muss man ja schon froh sein, dass im Film die Schlacht von Azincourt nicht mit Laserpistolen ausgefochten wurde. Bis es zu diesem Scharmützel kommt, vergehen allerdings eineinhalb teils sehr lange Stunden, die sich der Film für die Charakterentwicklung des jungen Königs Zeit nimmt. So weit, so gut – ich mag ja gut geschriebene Charaktere. Aber wenn man die nicht sieht, weil’s durchwegs dunkel ist (ja ja, das finstere Mittelalter), ist es auch nur halb so spannend. Timothée Chalamet macht seine Sache (mal wieder) sehr gut, Robert Pattinson gibt einen wundervollen Franzosen ab, aber Joel Edgerton, der den Film auch mitproduziert hat, stiehlt allen die Show. Frauen sind schmuckvolle Begleitung, was schade ist, aber in die Zeit passt (wobei es auch wehrhafte Damen gab, die ihre Heere in die Schlacht führten wie beispielsweise die Schwiegertochter von Heinrich V. – aber das ist eine eigene Geschichte, die man später mal verfilmen könnte). Unterm Strich ist „The King“ gelungen und sehenswert, aber nichts Weltbewegendes und historisch auch nicht allzu genau.

 


6,5
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle: imdb.com)

3 Kommentare

  1. Das Magazin Geo Epoche gibt eine gute Beschreibung der Schlacht von Azincourt – kann ich dir zwecks Ergänzung auch gerne mal leihen, wenn wir uns sehen. Ich erkenne bezugnehmend auf diesen Artikel schon eine gewisse Authentizität, was die Schlacht betrifft – vor allem was die Ausstattung der jeweiligen Armeen. Die einen mit gefühlt tausend Kilo Harnisch, die anderen in leichtem Leder. Geregnet hats damals obendrein. Also ich konnte die Schlacht von damals schon ganz gut erkennen. Das erzählerische Beiwerk mag fiktiv sein, das glaub ich gern.

    Alles in allem war ich persönlich von The King schon recht beeindruckt – ich mochte den Stil des Films, und schauspielerisch hat er mich vollends überzeugt. Ein tolles Geschichtsepos, davon gibts viel zu wenig. Hat mir zum Beispiel besser gefallen als Outlaw King. Hier meine etwas andere Sicht auf das Werk: https://filmgenuss.com/2019/11/11/the-king/

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    1. Ich bin da vielleicht ein bisschen picky, aber der französische Dauphin zum Beispiel scheint ja im realen Leben nicht an der Schlacht teilgenommen zu haben, außerdem standen die Engländer oben am Hügel und hatten dementsprechend einen Vorteil – Details, ich weiß, aber ich fand’s dennoch schade. Auch ansonsten war einfach Vieles falsch, so ist zum Beispiel Thomas, der Bruder des Königs, erst viele Jahre nach der Krönung gestorben. Aber gut, da brauchte man halt einfach ein „Opfer“, um die Motivation des jungen Heinrich zu dramatisieren. Ich verstehe voll und ganz, warum man das macht, und aus der Perspektive des Films gesehen macht das alles Sinn und ist auch gut und wichtig, aber das ist eben das Problem von Historienfilmen, dass man dadurch bewusst Authentizität aufgibt.

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      1. Diese historischen Verfremdungen waren doch schon bei Shakespeare der Fall – müssen ja fast gewesen sein. Geschichte kann in vielen Fällen ganz pur betrachtet einen abendfüllenden Spielfilm nicht auf so eine Art füllen, wie das Publikum ihn gerne hätte. Aber für mich ist das in Ordnung, da mich diese Genre oft motiviert, Näheres zu diesem Thema nachzulesen.

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