Ganz ehrlich: 2022 war ein Scheißjahr. Wie das finsterste Mittelalter (eine weltweite Pandemie, Krieg in Europa, in den Häusern ist es kalt), nur mit besseren Hygienestandards. Wobei: Wenn ich mir in den Öffis so manche FFP2-Masken ansehe und die Kulturen, die darin entwickelt wurden, streiche ich den letzten Halbsatz lieber wieder. Fazit des Jahres: Es kann nur besser werden.
Meine Kinobesuche haben sich wie im Vorjahr in Grenzen gehalten. 34 zähle ich – ein großer Anteil entfällt wieder wie üblich auf die Viennale. Wie auch im Vorjahr finden sich auch dieses Jahr wieder einige Filme, die dieses Jahr neu auf Streaming-Plattformen wie Netflix oder Disney+ erschienen sind, auf meiner Jahresbestenliste. Für meine Auswahl der üblichen Top30-Filme bleiben auf diesem Wege 59 Neuerscheinungen übrig, die ich eben entweder in diesem Jahr neu im Kino gesehen habe oder die mit Erscheinungsjahr 2022 via Streaming veröffentlicht wurden. (Darunter befinden sich etliche Gurken, die eine gesonderte Erwähnung verdient hätten. Netflix, quo vadis?) Für die Statistiker unter euch: 9 von meinen Top30 Filmen wurden von Frauen gedreht, was immerhin eine bessere Quote als für die Gesamtliste aller gesehenen Filme bedeutet. Die ist nach wie vor ausbaufähig.
Aber nicht lange gefackelt – das sind meine 30 Filme des Jahres:
Platz 1: Licorice Pizza (von Paul Thomas Anderson) – 9,0 Kürbisse
Ich bin ja schon so ein großer Fan von Paul Thomas Andersons Filmen, aber die haben oft eine gewisse Schwere und Tragik an sich. „Licorice Pizza“ ist hingegen ein unglaublich charmanter, fast fluffiger Film über eine unwahrscheinliche Liebesbeziehung, die sich aber dennoch durch und durch echt anfühlt.
Platz 2: The Banshees of Inisherin (von Martin McDonagh) – 8,5 Kürbisse
Eine Meisterleistung von Colin Farrell und Brendan Gleeson, die Martin McDonaghs skurril-schwarzhumorigem Film zeigen, dass auch Freundschaften nicht ewig halten müssen. Dazu viel irisches Lokalkolorit und eine treffende Allegorie auf den Nordirland-Konflikt, den, so wie der Konflikt in diesem Film, keiner versteht.
Platz 3: The House (von Paloma Baeza, Emma de Swaef, Niki Lindroth von Bahr und Marc James Roels) – 8,0 Kürbisse
Ich habe ja ein Herz für Stop-Motion-Filme, und der Episodenfilm „The House“ ist nicht nur tricktechnisch äußerst gelungen mit einer ganz individuellen Optik, sondern unterhält auch mit kuriosen und schaurigen Geschichten, die auch nach Ausschalten des Fernsehers durch die eigene Fantasie noch lange weitergesponnen werden.
Platz 4: Bullet Train (von David Leitch) – 8,0 Kürbisse
Brad Pitt in einer herrlich humorvollen Rolle kämpft sich durch einen ganzen Zug, ohne wirklich zu verstehen, was da überhaupt abgeht. David Leitchs „Bullet Train“ ist einfach nur komplett überdrehte, teils saukomische Actionunterhaltung, der nicht mehr sein will, als sie ist, aber gerade dadurch so gut gelungen ist.
Platz 5: The Whale (von Darren Aronofsky) – 8,0 Kürbisse
Das große Comeback von Brendan Fraser, der nie besser war als in der Rolle des schwer übergewichtigen Creative Writing-Lehrers, der sich den großen Traumata seiner Vergangenheit stellen muss. Ein berührender, mitreißender Film, der lange nach dem Abspann nachhallt.
Platz 6: Die Königin des Nordens (von Charlotte Sieling) – 8,0 Kürbisse
Einer der ersten Filme, die ich in diesem Jahr gesehen habe, und ich wusste gleich: Der wird am Ende des Jahres wieder unter den Top10 auftauchen. Charlotte Sieling zeichnet ein konzentriertes, spannend erzähltes und schauspielerisch überragend umgesetztes Portrait von Königin Margrethe von Dänemark, die die Länder des Nordens unter sich vereinte.
Platz 7: The Batman (von Matt Reeves) – 8,0 Kürbisse
Ja, Robert Pattinson ist ein großartiger Batman. Wer davor gezweifelt hat, wurde durch Matt Reeves düstere Neuverfilmung der Fledermaus mit Technik-Fetisch eines Besseren belehrt. „The Batman“ erfindet das Genre nicht neu, bringt aber einen düsteren Goth-Schick ein, der dem finsteren Helden gut steht.
Platz 8: Blond (von Andrew Dominik) – 8,0 Kürbisse
Vielleicht jener Film in meinen Top10, über den es sich am kontroversesten diskutieren lässt, aber ich persönlich fand „Blond“ mit Ana de Armas in der Rolle eine völlig kaputten Marilyn Monroe erfrischend anders und faszinierend vielschichtig – wenn man sich von dem Gedanken verabschiedet, ein Bio-Pic sehen zu wollen. Denn das ist dieser Film nicht.
Platz 9: Close (von Lukas Dhont) – 8,0 Kürbisse
Ein Film, den man in stabiler Gemütslage sehen sollte, denn leichte Kost ist der Film von Lukas Dhont über eine enge Jungenfreundschaft, die auf tragische Weise nach einer von Mitschülern geäußerten Vermutung, die beiden Jungs wären homosexuell, zu Ende geht.
Platz 10: Triangle of Sadness (von Ruben Östlund) – 8,0 Kürbisse
Ruben Östlund ist nicht für Subtilität bekannt. Sein „Triangle of Sadness“ trägt demnach vielleicht auch manchmal zu dick auf, und über die Laufzeit lässt sich streiten, und doch hatte ich bei dieser bitterbösen, schwarzhumorigen Komödie über das neue Mischen der Karten zwischen Arm und Reich nach einem unerwarteten Ereignis mein Vergnügen.
Platz 11: Top Gun: Maverick (von Joseph Kosinski) – 7,5 Kürbisse
Platz 12: She Said (von Maria Schrader) – 7,5 Kürbisse
Platz 13: Tori and Lokita (von Jean-Pierre und Luc Dardenne) – 7,5 Kürbisse
Platz 14: Sonne (von Kurdwin Ayub) – 7,5 Kürbisse
Platz 15: Apollo 10 1/2: Eine Kindheit im Weltraumzeitalter (von Richard Linklater) – 7,5 Kürbisse
Platz 16: Das Licht, aus dem die Träume sind (von Pan Nalin) – 7,5 Kürbisse
Platz 17: Dreizehn Leben (von Ron Howard) – 7,5 Kürbisse
Platz 18: Blaze (von Del Kathryn Barton) – 7,5 Kürbisse
Platz 19: Macbeth (von Joel Coen) – 7,5 Kürbisse
Platz 20: Im Westen nichts Neues (von Edward Berger) – 7,5 Kürbisse
Platz 21: Broker (von Hirokazu Koreeda) – 7,5 Kürbisse
Platz 22: Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse (von David Yates) – 7,5 Kürbisse
Platz 23: Corsage (von Marie Kreutzer) – 7,0 Kürbisse
Platz 24: Spencer (von Pablo Larraín) – 7,0 Kürbisse
Platz 25: Unicorn Wars (von Alberto Vázquez) – 7,0 Kürbisse
Platz 26: Doctor Strange in the Multiverse of Madness (von Sam Raimi) – 7,0 Kürbisse
Platz 27: Other People’s Children (von Rebecca Zlotowski) – 7,0 Kürbisse
Platz 28: Nightmare Alley (von Guillermo del Toro) – 7,0 Kürbisse
Platz 29: Salaryman (von Allegra Pacheco) – 7,0 Kürbisse
Platz 30: Stars at Noon (von Claire Denis) – 7,0 Kürbisse
Das war’s für dieses Jahr. Ich wünsche euch einen guten Rutsch in ein hoffentlich glückliches, erfolgreiches und vor allem gesundes Jahr 2023! Und wie immer: Mitdiskutieren über die Filme ist stets erwünscht!
Davon habe ich noch fast nichts gesehen und freue mich, einige Filme im Jahr 2023 nachholen zu können. Danke für die Tipps!
Komm auch gut rüber! 🥳
LikeGefällt 1 Person
Hallo, ich freue mich, hier deine interessanten Texte und damit vom persönlichen Zugang eines Filmfreundes lesen zu dürfen. Bei „Close“ bin ich ganz bei dir, „Bullet Train“ fand ich auch sehr unterhaltsam (Empfehlung: der Roman), auf „The Whale“ bin ich schon sehr gespannt. Und auch auf weitere Texte von dir. Liebe Grüße
LikeGefällt 1 Person
Hallo Paul, vielen Dank für deine netten Worte. Und natürlich erst einmal ein frohes neues Jahr! :-) Auf „The Whale“ kannst du dich wirklich schon freuen, das ist ein wirklich sensibel und großartig gespielter Film. Liebe Grüße, Thomas
LikeLike