Drama

Seneca – Oder: Über die Geburt von Erdbeben (2023)

Regie: Robert Schwentke
Original-Titel: Seneca: On the Creation of Earthquakes
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Drama, Satire, Historienfilm, Biopic, Experimentalfilm
IMDB-Link: Seneca: On the Creation of Earthquakes


Wie passend, dass im Radio nach der Heimfahrt vom Kinobesuch „Bad Moon Rising“ von Creedence Clearwater Revival gespielt wurde. Der Text des Songs bietet eine wunderbare Zusammenfassung von Robert Schwentkes gewagtem Historien-Experimentalfilm, vor allem die Stelle „Hope you got your things together. Hope you are quite prepared to die“. Denn dieses Schicksal erwartet Seneca, Senator Roms, Lehrer Neros und allseits beliebter Gastgeber von Reich und Schön, die sich seine Lebensweisheiten reinziehen, bevor sie zu omnipräsenten Kalendersprüchen wurden. Denn Seneca ist in Ungnade gefallen, und der Bote Roms, der an seiner Haustür anklopft, stellt ihn vor die Wahl: Am nächsten Morgen kommt er wieder, um Senecas Leiche einzusammeln, oder aber er setzt Neros Wunsch persönlich um, was dann allerdings, wie er andeutet, einen grauslichen und langwierigen Leidensweg bedeuten würde. „Hope you got your things together. Hope you are quite prepared to die.“ Auch einen wortwörtlichen bad moon gibt es zuvor, denn Seneca hat für sein extravagantes Partyvolk vorab noch ein Theaterstück zum Besten gegeben, um ihnen ihre Dekadenz vor Augen zu führen, wobei er nicht vor drastischen Mitteln zurückschreckt, und genau am Höhepunkt dieser Inszenierung schiebt sich der Mond wie ein böses Omen vor die Sonne und verdunkelt die Welt. Doch ist Seneca ein Erleuchteter oder nicht vielmehr ein Heuchler, ein Hypokrit, wie im Buche steht? Selbst unermesslich reich geworden predigt er über Tugend, Anstand und Gnade, und sich nicht zum Sklaven des Reichtums zu machen, sondern Herr darüber zu sein. John Malkovich in der Titelrolle spielt diese zweideutige Gestalt, die vor dem reichen Publikum auf dicke Hose macht, doch im Grunde nur ein aufgeblasener, eitler Gockel ist, mit einer Präsenz, die es unmöglich macht, den Blick von der Leinwand zu wenden. Allerdings eine Warnung: Wer einen klassischen Historienfilm erwartet, ist hier falsch. Denn „Seneca – Oder: Über die Geburt von Erdbeben“ ist vielmehr eine auf Film gebannte Theaterinszenierung, in die immer wieder, wie als fernes Echo, die moderne Welt hineinhuscht – sei es durch Sonnenbrillen, Graffiti von Panzern oder der eindrücklichen Schlussszene, als Senecas Körper von einem Bagger verscharrt wird. Jede dieser Szenen bietet unterschiedliche Lesarten an, und es liegt am Zuseher selbst, was er daraus macht. Als gebürtiger Salzburger komme ich nicht umhin, Parallelen zu Hugo von Hofmannsthals Stück „Jedermann“ zu ziehen, in dem es ebenfalls über das Sterben des reichen Mannes geht. Am Ende sind wir allein und auf unsere intimsten Ängste und Instinkte zurückgeworfen, ganz gleich, wer man im Leben war. Um noch einen Songtext zu zitieren – hier nun die Erste Allgemeine Verunsicherung: „Der Tod ist ein gerechter Mann, ob’st oarm bist oder reich. ‚G’sturbn is g’sturbn‘, sagt der Wurm. Als Leich‘ is jeder gleich.“


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Lilli Kuschel, Quelle http://www.imdb.com)

Air: Der große Wurf (2023)

Regie: Ben Affleck
Original-Titel: Air
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Sportfilm, Biopic, Drama
IMDB-Link: Air


Zugegeben, ich habe einen kleinen Bogen um Ben Afflecks neuen Film gemacht. Wie spannend kann die Geschichte rund um die Entwicklung eines Sportschuhs sein? Und wird daraus nicht einfach nur ein Werbefilm für Nike? Tatsächlich ist der Stoff aber bei Affleck in guten Händen. Zusammen mit seinem alten Spezi Matt Damon in der Hauptrolle des Basketball-Gurus Sonny Vaccaro gelingt es ihm, daraus eine Geschichte von einem unkonventionellen Underdog zu machen, der den angestaubten Platzhirschen (in diesem Fall Converse und Adidas) mit Chuzpe die Stirn bietet. 1984 ist Nike nur die Nummer 3 unter den Basketballschuh-Herstellern. Die Aussicht auf Stars als lukrative Testimonials für das eigene Schuhwerk ist gering. Man begnügt sich mit den Krümeln, die Converse und Adidas übrig lassen. Genannter Sonny Vaccaro will genau das ändern. Er sieht in dem Rookie Michael Jordan das vielleicht größte Talent aller Zeiten und darin die große Chance für Nike. Alleiniges Problem: Michael Jordan will nicht mit Nike reden und trägt lieber Adidas. Der größte Clou von „Air: Der große Wurf“ ist es, das eigentliche Zentrum des Films, den kommenden Superstar Michael Jordan, komplett außen vor zu lassen. Er ist höchstens mal eine Silhouette im Hintergrund, verdeckt durch seine eigene Mutter (Viola Davis), die alleinige Ansprechpartnerin für Vaccaro und sein Team (darunter Ben Affleck als CEO Phil Knight, Jason Bateman als Marketingchef Rob Strasser sowie Chris Tucker als Howard White). „Air: Der große Wurf“ bietet in jeglicher Hinsicht deutlich weniger Heldenverehrung, als man erwarten würde – eine sehr emotionale, aber dramaturgisch großartig begleitete Rede von Vaccaro ausgenommen. Vielmehr erzählt der Film davon, wie man mit Mut, Witz und einer klaren Vision das scheinbar Unmögliche möglich machen kann, wenn man an sich selbst glaubt. Dazu gelingt es Affleck, die Zeit, in der der Film spielt, für den Zuseher wieder greifbar und erlebbar zu machen – ein Talent, das er schon in Argo unter Beweis stellen konnte. Er begnügt sich nicht damit, ein paar Gimmicks aus den 80er Jahren und einen entsprechenden Soundtrack aufzuwarten, sondern jede Kameraeinstellung, jedes Produktionsdesignelement atmet den Geist dieser Epoche. Allein diese Hingabe zum Detail macht „Air: Der große Wurf“ schon sehenswert. Alles in allem eine positive Überraschung und weitaus mehr als das erwartbare Marken-Pleasing. Ich bin nun schon gespannt auf die filmische Umsetzung der dramatischen Geschichte, wie aus Raider Twix wurde.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von ANACARBALLOSA/Ana Carballosa/Amazon Studios – © ANA CARBALLOSA, Quelle http://www.imdb.com)

Schräger als Fiktion (2006)

Regie: Marc Forster
Original-Titel: Stranger Than Fiction
Erscheinungsjahr: 2006
Genre: Fantasy, Komödie, Liebesfilm, Drama
IMDB-Link: Stranger Than Fiction


Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Will Ferrell einmal eine der herzzerreißendsten Figuren der Filmgeschichte spielen würde? Und das ausgerechnet als lakonischer (und arschlangweiliger) Steuerprüfer. Der Clou liegt darin, dass sein Harold Crick eine fiktive Romanfigur ist, dessen Leben von der Feder der exzentrischen Schriftstellerin Karen Eiffel (Emma Thompson) bestimmt wird und deren Stimme er eines Tages zu hören beginnt. Und die hat gerade beschlossen, ihn sterben zu lassen. Sie weiß noch nicht wie, nur, dass mit dem Ende ihres Buches auch das Ende von Harold Crick gekommen ist. Und das ausgerechnet, als er beginnt, sich die Bäckerin Ana Pascal (Maggie Gyllenhaal) zu verlieben, die jedoch nur wenig für seine Gefühle übrig hat – kein Wunder, denn sie hält nichts von sauberer Buchführung und korrekter Abgabe von Steuern an den Staat, der diese dann für Rüstung und Militär verwendet. Doch vorerst macht ihm das drohende Ableben ohnehin mehr zu schaffen als Miss Pascals sarkastische Bemerkungen. Nach anfänglichen Zweifeln an der eigenen geistigen Gesundheit sucht Crick schließlich den Rat des Literaturprofessors Jules Hilbert (Dustin Hoffman) auf. Kann ihm dieser helfen, seinem Schicksal zu entrinnen? „Schräger als Fiktion“ ist ein absoluter Glücksfall von einem Film. Wie schon erwähnt spielt Will Ferrell hier wohl die beste Rolle seines Lebens. Er ist perfekt gecastet für diesen trockenen Buchhalter-Typen, dessen Leben komplett aus den Fugen gerät und der verwirrt, aber stoisch versucht, die losen Enden wieder einzufangen. An seiner Seite spielt Maggie Gyllenhaal den sinnlichen Gegenpart, das Yin zu Cricks Yang. Das Thema der Balance zieht sich durch den ganzen Film – Karen Eiffel in all ihrem Exzentrismus erhält ein Gegengewicht durch Queen Latifahs No-Nonsense-Sekretärin Penny, auch sind Tragik und Komik perfekt ausbalanciert wie auch Zuneigung und Abneigung von Crick und Ana Pascal. „Stranger Than Fiction“ ist ein Film, der durch seine liebevoll-skurrile Grundidee aus der Feder von Charlie Kaufman hätte stammen können, und doch ist er keine Kopie des Stils des gefeierten New Yorker Drehbuchautors, sondern etwas ganz und gar Eigenständiges.


8,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Ralph Nelson – © 2006 Columbia Pictures Industries, Inc. All Rights Reserved, Quelle http://www.imdb.com)

Panzerkreuzer Potemkin (1925)

Regie: Sergei Eisenstein
Original-Titel: Bronenossez Potjomkin
Erscheinungsjahr: 1925
Genre: Historienfilm, Propagandafilm, Drama
IMDB-Link: Bronenossez Potjomkin


Sucht man nach dem besten Film aller Zeiten, gibt es viele Kandidaten: „Citizen Kane“. Satanstango. „The Shawshank Redemption“. Casablanca. „Der Pate“. „Der Pate 2“. The Room. In den 50er Jahren befand jedenfalls ein Gremium, „Panzerkreuzer Potemkin“ von Sergei Eisenstein wäre der bis dato beste Film aller Zeiten. Und diese Entscheidung ist durchaus nachvollziehbar. Denn der Propagandafilm, der das Hohelied auf die Russische Revolution und den Kommunismus singen sollte, entpuppt sich als bildgewaltiges, technisch bahnbrechendes und subversives Kino, das bis heute nichts von seiner Relevanz eingebüßt hat. Vordergründig zeichnet Eisenstein die (gescheiterte) Revolution von 1905 nach, im Konkreten die Meuterei der Matrosen auf dem Kriegsschiff Potemkin, die sich dagegen wehren, verfaultes Fleisch essen zu müssen. Nachdem sie das Schiff übernommen und Zuspruch durch die Bevölkerung erfahren haben, kommt es in Odessa zur blutigen Katastrophe. Für die Treppenszene ist der Film berühmt, doch wäre es falsch, ihn allein auf dieses beklemmend inszenierte Massaker zu reduzieren. Jedes Bild ist eine Komposition für sich. Mit ungewöhnlichen Kameraperspektiven und innovativen Schnitten reizte Eisenstein die Möglichkeiten des immer noch jungen Mediums Film aus und setzte neue Maßstäbe. Die Geschichte selbst ist dicht und in 70 Minuten kompakt erzählt. Es ist purer Perfektionismus in allen Details, der „Panzerkreuzer Potemkin“ auszeichnet. Perfektionismus allein reicht aber nicht für einen relevanten Film – frage nach bei Leni Riefenstahl. Ja, „Panzerkreuzer Potemkin“ wurde als Propagandafilm in Auftrag gegeben und man kann zur darin vertretenen Ideologie stehen, wie man will, doch bringt Eisenstein (da sind wir bei der oben angesprochenen Subversion) größere Fragen nach Menschlichkeit in diesem Film unter. Hier kämpfen Menschen gegen ein sie unterdrückendes System, und Eisensteins feinfühlige Regie führt zu einer Erzählung, die außerhalb politischer Wertungen steht und daher Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen kann.


9,0 Kürbisse

(Bildzitat: © Walt Disney Studios, Quelle http://www.imdb.com)

Tár (2022)

Regie: Todd Field
Original-Titel: Tár
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Drama, Musikfilm
IMDB-Link: Tár


Lydia Tár ist ein Superstar der Klassikszene. Die stets eloquente wie elegante Dirigentin leitet als einzige Frau weltweit ein renommiertes Philharmoniker-Orchester, nämlich in Berlin. Dazu unterrichtet sie auf Hochschulen, gibt gefeierte Interviews auf großen Bühnen und bringt auch noch ein neues Buch heraus, in dem sie ihre Sicht auf Musik teilt. Privat ist sie mit ihrer ersten Violinistin verheiratet, mit der sie auch eine Tochter hat. Alles fein also, wären da nicht seltsame E-Mails, die ihre sichtlich verunsicherte Assistentin von einem ehemaligen Orchestermitglied empfängt. Lydia Tár hat für derartige Belanglosigkeiten jedoch keine Zeit und keinen Nerv, sie hat Wichtigeres vor, nämlich Mahlers 5. Symphonie neu einzuspielen. Und darüber hinaus eine junge, knackige Cellistin zu protegieren, die neu ins Orchester gekommen ist. Doch dann entwickeln sich die Dinge allmählich so, dass Tár die Kontrolle darüber verliert. Plötzlich wird sie von einem selbst verursachten Strudel in Richtung Abgrund gezogen. „Tár“ von Todd Field ist ein intelligentes und perfides Stück Kino und eine weitere Meisterleistung von Cate Blanchett in der Hauptrolle. Ihre Lydia Tár ist eine Frau, die sich mit Ellbogen nach oben kämpfen musste und die Bodenhaftung verloren hat. Der große Erfolg verleitet sie zur Annahme, einen unsichtbaren Schutzschild zu besitzen, an dem alles abprallt, wie man es so oft bei Menschen sieht, die über lange Jahre in Machtpositionen sitzen. Erinnerungen an Harvey Weinstein und andere tief Gefallene werden wach. Perfid ist „Tár“, weil er den Machtmissbrauch dem für gewöhnlich in solchen Situationen Machtloseren umhängt und gerade dadurch ein grelles Licht darauf wirft. Streng durchkomponiert wie ein Stück klassischer Musik seziert Todd Field in seinem Film diese Machtgefälle in der Kunst (natürlich auch auf alle anderen Bereiche übertragbar) und verfremdet seine Beobachtungen mit leicht surrealen Momenten der Bedrohung, die das Innenleben der Protagonistin sichtbar machen. Um so einen Film zu tragen, braucht es schon ein Kaliber wie Cate Blanchett, die einmal mehr zeigt, warum sie als eine der besten Schauspielerinnen ihrer Zeit gehandelt wird. In allen Belangen ist „Tár“ ganz große Kunst.


8,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Everything Everywhere All at Once (2022)

Regie: Dan Kwan und Daniel Scheinert
Original-Titel: Everything Everywhere All at Once
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Komödie, Fantasy, Science Fiction, Drama
IMDB-Link: Everything Everywhere All at Once


Diesen Durchmarsch hätten im Vorfeld wohl nicht viele erwartet. Aber am Ende der Oscarnacht 2023 standen 7 Goldmännchen für „Everything Everywhere All at Once“ zu Buche: Für die beste Hauptdarstellerin (Michelle Yeoh, sehr verdient), den besten Nebendarsteller (Ke Huan Quan mit einem eindrucksvollen Schauspiel-Comeback), die beste Nebendarstellerin (Jamie Lee Curtis, die den Oscar, bei allem Respekt vor ihrer kleinen, aber feinen Rolle, wohl auch für ihr Lebenswerk zugestanden bekommen hat), für das beste Drehbuch, den besten Schnitt, die beste Regie (die Daniels, die mich schon mit ihrem Vorgängerwerk „Swiss Army Man“ begeistert haben) und nicht zuletzt für den besten Film. Andere Kaliber wie Spielbergs The Fabelmans oder das herausragende The Banshees of Inisherin mussten sich geschlagen geben. Doch ist der Hype nun gerechtfertigt? Wie so oft im Leben ist die Antwort weder ein klares Ja noch ein klares Nein. Jein halt, die Lieblingshaltung der diplomatischen (man könnte auch sagen: opportunistischen) Österreicher. Denn während der Film einerseits volle Punktzahl für Originalität und die stilistisch atemberaubende Umsetzung seiner Idee verdient, hat er dennoch auch seine Längen und Problemzonen. (Und damit meine ich nicht Jamie Lee Curtis‘ Hüftspeck.) Zu Beginn wird man als Zuseher ins kalte Wasser geworfen, und es dauert eine Weile, bis man sich in der Geschichte zurechtfindet. Doch ist man dann an diesem Punkt angelangt, zeigt der Film auch unnötige Längen. Über den Inhalt darf man eigentlich nicht zu viel verraten, um den Spaß nicht zu verderben, nur soviel: Michelle Yeoh als überforderte Wäschereibesitzerin stellt fest, dass nicht nur eloquente Zauberkünstler mit rotem Umhang durch Multiversen reisen können. „Everything Everywhere All at Once“ ist dem (intelligenten) Fantasy- bzw. Science Fiction-Genre zuzuordnen. Umso überraschender kam der Oscar-Regen, da die Academy bei Genrefilmen für gewöhnlich eher die Nase rümpft. Diese bedingungslose Detailarbeit, mit der die Daniels ihr Multiversum umsetzen, während sie zusätzlich auch noch eine herzergreifende Familiengeschichte einbauen, beeindruckt allerdings und ist aller Ehren wert. Dies lässt den Preisregen durchaus nachvollziehen. Für einen perfekten Film hätte man das Geschehen allerdings noch etwas straffen und den Zuseher von Beginn an mehr an die Hand nehmen können. Anstrengend ist das alles nämlich schon. Das größte Mysterium rund um den Film erzeugen aber nicht die Daniels, sondern Michelle Yeoh. Wie kann es sein, dass die schon über 60 ist? Die Frau hat Gene!


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Allyson Riggs, Quelle http://www.imdb.com)

Boston Strangler (2023)

Regie: Matt Ruskin
Original-Titel: Boston Strangler
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Drama, Krimi
IMDB-Link: Boston Strangler


In den 60er Jahren ermordete ein Unbekannter in Boston 13 Frauen durch Strangulieren. Wenig überraschend bezeichneten die Medien den Mörder als „Boston Strangler“. Schon eher überraschend ist die Tatsache, dass sowohl die Bezeichnung als auch die Berichterstattung auf zwei weibliche Journalistinnen zurückgeht, die einfach die Schnauze voll davon hatten, Produkttests von Toastern in ihrer Zeitung zu veröffentlichen. Die Ermittlungen rund um den Serienkiller markierten den Beginn des Ruhms der beiden Investigativjournalistinnen Loretta McLaughlin und Jean Cole, verkörpert von Keira Knightley und Carrie Coon. Sie haben es natürlich nicht leicht, stoßen sie doch nicht nur auf alltäglichen Sexismus und Rollenklischees, sondern auch auf wenig kooperative Ermittler bei der Polizei. Einzig Detective Conley (Alessandro Nivola) erweist sich als Hilfe, doch ist der Fall schwerer zu knacken als eine Walnuss mit Wattestäbchen. „Boston Strangler“ fokussiert trotz seines reißerischen Titels auf die Ermittlungsarbeit der beiden Journalistinnen und degradiert die Verdächtigen und mutmaßlichen Täter zu Randfiguren. Das ist schon okay so – nichts gegen ordentlich gemachte Journalistenarbeit, die auch sehr spannend sein kann, wie das jüngste Beispiel She Said beweist. Doch anders als der schlau inszenierte Thriller rund um den Weinstein-Skandal plätschert „Boston Strangler“ leider etwas unmotiviert und langsam vor sich hin. Ein wenig mehr Tempo hätte dem Film gut getan. Einzelne bedrohliche Szenarien bauen nur kurz Spannung auf, die dann nicht gehalten werden kann. So ist „Boston Strangler“ zwar kein schlechter Film, aber kaum einer, der lange im Gedächtnis bleiben wird.


5,5 Kürbisse

(Bildzitat: © 2022 Universal Studios and Amblin Entertainment, Quelle http://www.imdb.com)

Sterne unter der Stadt (2023)

Regie: Chris Raiber
Original-Titel: Sterne unter der Stadt
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Drama, Liebesfilm
IMDB-Link: Sterne unter der Stadt


Seien wir ehrlich: Viel Wienerischer als „Sterne unter der Stadt“ kann ein Film nicht sein. Es geht um schräge Typen, um glühende Perry Rhodan-Fans, die nach den Sternen greifen wollen, aber unter der Erde im Fundbüro arbeiten, es geht um U-Bahnen (okay, es ist „nur“ die U2, für das ungeschönte Wien-Feeling empfehle ich eine Fahrt mit der U6 zwischen Floridsdorf und Westbahnhof) und es geht natürlich um die Liebe und um den Tod. Fehlt eigentlich nur noch der Zentralfriedhof als Schauplatz, aber gut, man kann nicht alles haben. Aber eben fast alles. Und wenn dann noch Verena Altenberger, eine der Größten ihrer Zunft, die wir aktuell haben, den Film mit ihrem unprätentiösen Spiel veredelt, ist das grantelnde Wiener Herz schon so gut wie gewonnen. Beziehungsweise erst einmal das von Alexander (Thomas Prenn), der eigentlich geschworen hat, sich niemals zu verlieben, um nicht dem tragischen elterlichen Schicksal zu folgen. Aber erstens kommt es anders, und zweitens, als man denkt. Und so entwickelt sich eine zarte, ja, fast schon kitschige Romanze zwischen Gleis 1 und Gleis 2. Und kaum hat man es sich so richtig bequem gemacht im plüschigen Kinosessel und wohlwollend die „Amelie“-Vibes aufgenommen, kommt der Wienerische Hang zum Morbiden durch, und man plagt sich mit schweren Schicksalsschlägen herum. Was ist der Film nun? Mehr Liebesfilm oder mehr Drama? Nun, der Film hält gut die Waage. Wie es im Leben halt so ist: Es gibt gute Tage, und es gibt schlechte Tage. Und manchmal muss man springen, auch wenn man Angst hat. „Sterne unter der Stadt“ ist ein schöner, ein melancholischer, ein durch und durch kitschiger Film, der das Publikum wohl gespalten zurücklässt, aber manchmal muss ein bisschen Zuckerguss sein, manchmal müssen bunte Schmetterlinge durchs Zimmer flattern und Blicke eine tiefere Bedeutung entfalten, als sie das in der Realität tun. Manchmal braucht es den Blick der Träumer.


7,0 Kürbisse

(Foto: http://www.filmladen.at)

Die Fabelmans (2022)

Regie: Steven Spielberg
Original-Titel: The Fabelmans
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Drama, Biopic
IMDB-Link: The Fabelmans


Hollywood liebt Filme über Hollywood. Und wenn dann noch einer der angesehensten Regisseure der Geschichte einen autobiographischen Film über seine Anfänge als Filmemacher dreht, verwundert es kaum, dass es Oscarnominierungen regnet. Nicht weniger als 7 Nominierungen heimste „Die Fabelmans“ bei der diesjährigen Verleihung ein. Zu einer Auszeichnung reichte es dann am Ende doch nicht, auch wenn man sich langsam die Frage stellt, was Michelle Williams noch alles tun muss, um endlich mal den verdienten Oscar in ihren Händen zu halten. Vielleicht hilft es, wenn sie sich in ein Bärenfell einwickelt und rohes Fleisch isst. Aber eigentlich müssen wir ja über Gabriel LaBelle reden, der als Spielbergs Alter Ego Sammy Fabelman in einem familiären Spannungsfeld zwischen Künstlern/Träumern (seine Mutter) und Wissenschaft (sein Vater) aufwächst. Schon früh entdeckt er seine Leidenschaft für den Film und kommt damit eindeutig nach der Mutter. Doch er stellt auch fest, dass der Film auch Wahrheiten aufdecken kann, die sonst vielleicht im Verborgenen geblieben wären. Sieht man von der übergeordneten autobiographischen Ebene ab, ist „Die Fabelmans“ in erster Linie ein Familiendrama und Coming-of-Age-Film, in dessen Zentrum ein zwischen zwei Welten hin- und hergerissener Jugendlicher steht, der seinen Platz erst finden muss. Die sensible Inszenierung fügt diesem vielbearbeiteten Thema allerdings eine gefühlvolle, fast nostalgische Note hinzu, die die doch recht ambitionierte Dauer von 2,5 Stunden gut trägt. Dazu bekommen die Zuseher einen Einblick in die originellen ersten handwerklichen Schritte des Jungregisseurs und so einen Blick hinter die Kulissen Hollywoods gestattet – wenn auch nur im Kleinen. Für einen ganz großen Wurf fehlen mir persönlich am Ende ein Gefühl von Dringlichkeit und Relevanz. Stattdessen gleitet der Film wie auf den Schienen, die zu Beginn den jungen Sammy inspirieren, dahin, was durchaus Spielbergs Meisterschaft aufzeigt, und doch fehlen die Kanten und die scharfen Stellen, an denen man sich verletzen kann.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: © 2022 Universal Studios and Amblin Entertainment, Quelle http://www.imdb.com)

Der Unsichtbare (2020)

Regie: Leigh Whannell
Original-Titel: The Invisible Man
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Drama, Horror, Thriller
IMDB-Link: The Invisible Man


Unsichtbar zu sein hat viele Vorteile. So muss man sich beispielsweise keine Gedanken über einen möglichen Bad Hair-Day machen und kann im Pyjama herumlaufen. Im Büro kann man endlich mal in Ruhe seine Sachen abarbeiten. Oder man kann seine psychotischen Neigungen ausleben und seine Exfreundin stalken und bedrohen. Jeder nach seinem Gusto. Nur blöd, wenn man die besagte Exfreundin ist, denn dann wird’s ungemütlich – zunächst für Elisabeth Moss in der Rolle der an ihrem Verstand Zweifelnden, dann aber für den Tunichtgut, der einfach ungeniert in ihrem Schlafzimmer herumlümmelt, ohne gesehen werden zu können. „Der Unsichtbare“ von Leigh Whannell geht auf einen ziemlich alten Stoff zurück. H. G. Wells schuf die literarische Vorlage, James Whale mit einer ersten Verfilmung 1933 einen Klassiker des Horrorgenres. Ziemlich große Fußstapfen also, in der Whannell mit seiner Verfilmung des Stoffs treten wollte. Man muss ihm hoch anrechnen, dass der Film wirklich gut geworden ist und jedenfalls für sich stehen kann. Mit einer feministischen Ermächtigungsgeschichte bringt Whannell eine zeitgemäße und intelligente eigene Note hinein, die von Elisabeth Moss, einer grandiosen Könnerin ihres Fachs, kongenial getragen wird. So ist diese Neuverfilmung nicht nur ein spannend inszenierter Nägelbeißer, sondern wartet auch noch mit einer klaren Botschaft an die Machos da draußen auf, die meinen, eine Freundin würde in die Kategorie des persönlichen Besitzes fallen.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Universal Pictures – © 2020 Universal Pictures, Quelle http://www.imdb.com)