Regie: Robert Schwentke
Original-Titel: Seneca: On the Creation of Earthquakes
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Drama, Satire, Historienfilm, Biopic, Experimentalfilm
IMDB-Link: Seneca: On the Creation of Earthquakes
Wie passend, dass im Radio nach der Heimfahrt vom Kinobesuch „Bad Moon Rising“ von Creedence Clearwater Revival gespielt wurde. Der Text des Songs bietet eine wunderbare Zusammenfassung von Robert Schwentkes gewagtem Historien-Experimentalfilm, vor allem die Stelle „Hope you got your things together. Hope you are quite prepared to die“. Denn dieses Schicksal erwartet Seneca, Senator Roms, Lehrer Neros und allseits beliebter Gastgeber von Reich und Schön, die sich seine Lebensweisheiten reinziehen, bevor sie zu omnipräsenten Kalendersprüchen wurden. Denn Seneca ist in Ungnade gefallen, und der Bote Roms, der an seiner Haustür anklopft, stellt ihn vor die Wahl: Am nächsten Morgen kommt er wieder, um Senecas Leiche einzusammeln, oder aber er setzt Neros Wunsch persönlich um, was dann allerdings, wie er andeutet, einen grauslichen und langwierigen Leidensweg bedeuten würde. „Hope you got your things together. Hope you are quite prepared to die.“ Auch einen wortwörtlichen bad moon gibt es zuvor, denn Seneca hat für sein extravagantes Partyvolk vorab noch ein Theaterstück zum Besten gegeben, um ihnen ihre Dekadenz vor Augen zu führen, wobei er nicht vor drastischen Mitteln zurückschreckt, und genau am Höhepunkt dieser Inszenierung schiebt sich der Mond wie ein böses Omen vor die Sonne und verdunkelt die Welt. Doch ist Seneca ein Erleuchteter oder nicht vielmehr ein Heuchler, ein Hypokrit, wie im Buche steht? Selbst unermesslich reich geworden predigt er über Tugend, Anstand und Gnade, und sich nicht zum Sklaven des Reichtums zu machen, sondern Herr darüber zu sein. John Malkovich in der Titelrolle spielt diese zweideutige Gestalt, die vor dem reichen Publikum auf dicke Hose macht, doch im Grunde nur ein aufgeblasener, eitler Gockel ist, mit einer Präsenz, die es unmöglich macht, den Blick von der Leinwand zu wenden. Allerdings eine Warnung: Wer einen klassischen Historienfilm erwartet, ist hier falsch. Denn „Seneca – Oder: Über die Geburt von Erdbeben“ ist vielmehr eine auf Film gebannte Theaterinszenierung, in die immer wieder, wie als fernes Echo, die moderne Welt hineinhuscht – sei es durch Sonnenbrillen, Graffiti von Panzern oder der eindrücklichen Schlussszene, als Senecas Körper von einem Bagger verscharrt wird. Jede dieser Szenen bietet unterschiedliche Lesarten an, und es liegt am Zuseher selbst, was er daraus macht. Als gebürtiger Salzburger komme ich nicht umhin, Parallelen zu Hugo von Hofmannsthals Stück „Jedermann“ zu ziehen, in dem es ebenfalls über das Sterben des reichen Mannes geht. Am Ende sind wir allein und auf unsere intimsten Ängste und Instinkte zurückgeworfen, ganz gleich, wer man im Leben war. Um noch einen Songtext zu zitieren – hier nun die Erste Allgemeine Verunsicherung: „Der Tod ist ein gerechter Mann, ob’st oarm bist oder reich. ‚G’sturbn is g’sturbn‘, sagt der Wurm. Als Leich‘ is jeder gleich.“

7,5 Kürbisse
(Bildzitat: Foto von Lilli Kuschel, Quelle http://www.imdb.com)