Krimi

Boston Strangler (2023)

Regie: Matt Ruskin
Original-Titel: Boston Strangler
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Drama, Krimi
IMDB-Link: Boston Strangler


In den 60er Jahren ermordete ein Unbekannter in Boston 13 Frauen durch Strangulieren. Wenig überraschend bezeichneten die Medien den Mörder als „Boston Strangler“. Schon eher überraschend ist die Tatsache, dass sowohl die Bezeichnung als auch die Berichterstattung auf zwei weibliche Journalistinnen zurückgeht, die einfach die Schnauze voll davon hatten, Produkttests von Toastern in ihrer Zeitung zu veröffentlichen. Die Ermittlungen rund um den Serienkiller markierten den Beginn des Ruhms der beiden Investigativjournalistinnen Loretta McLaughlin und Jean Cole, verkörpert von Keira Knightley und Carrie Coon. Sie haben es natürlich nicht leicht, stoßen sie doch nicht nur auf alltäglichen Sexismus und Rollenklischees, sondern auch auf wenig kooperative Ermittler bei der Polizei. Einzig Detective Conley (Alessandro Nivola) erweist sich als Hilfe, doch ist der Fall schwerer zu knacken als eine Walnuss mit Wattestäbchen. „Boston Strangler“ fokussiert trotz seines reißerischen Titels auf die Ermittlungsarbeit der beiden Journalistinnen und degradiert die Verdächtigen und mutmaßlichen Täter zu Randfiguren. Das ist schon okay so – nichts gegen ordentlich gemachte Journalistenarbeit, die auch sehr spannend sein kann, wie das jüngste Beispiel She Said beweist. Doch anders als der schlau inszenierte Thriller rund um den Weinstein-Skandal plätschert „Boston Strangler“ leider etwas unmotiviert und langsam vor sich hin. Ein wenig mehr Tempo hätte dem Film gut getan. Einzelne bedrohliche Szenarien bauen nur kurz Spannung auf, die dann nicht gehalten werden kann. So ist „Boston Strangler“ zwar kein schlechter Film, aber kaum einer, der lange im Gedächtnis bleiben wird.


5,5 Kürbisse

(Bildzitat: © 2022 Universal Studios and Amblin Entertainment, Quelle http://www.imdb.com)

Minority Report (2002)

Regie: Steven Spielberg
Original-Titel: Minority Report
Erscheinungsjahr: 2002
Genre: Drama, Science Fiction, Thriller, Krimi
IMDB-Link: Minority Report


Wenn der Jäger zum Gejagten wird: Kein neues Sujet in der Filmgeschichte, doch immer wieder spannend. Wenn dieses Thema noch gewürzt wird mit einer dystopischen Vorlage aus der Feder von Philip K. Dick, einem der größten Science Fiction-Autoren des letzten Jahrhunderts, niemand Geringerer als Steven Spielberg auf dem Regiestuhl Platz nimmt und der ewige Actionheld Tom Cruise durchs Bild rennen darf, stehen die Vorzeichen für einen bombastischen Film schon mal sehr gut. „Minority Report“ aus dem Jahr 2002 arbeitet mit einer cleveren Ausgangsidee: In einer nicht allzu fernen Zukunft werden dank übersinnlich begabter Medien Verbrecher aus dem Verkehr gezogen, noch ehe sie ihr Verbrechen begehen. John Anderton ist Leiter dieses Spezialtrupps der Polizei, die künftige Morde verhindern soll, ehe sie geschehen. Doch eines Tages spuckt das System einen Namen, mit dem er selbst am wenigsten gerechnet hätte, als künftigen Mörder aus: seinen eigenen. Und schon beginnt die wilde Jagd, denn natürlich lässt sich das nicht geheim halten. Ihm auf den Fersen: Detective Witwer (Colin Farrell), der die ganze Verbrechensprävention auf Basis von drei seltsamen Schwimmern, die schlechte Träume haben, eh am liebsten einstampfen würde. Der gejagte Anderton ist im Zwiespalt – einerseits wäre es für ihn nicht übel, könnte er seine (zukünftige) Unschuld beweisen, denn niemand atmet gerne gesiebte Luft. Andererseits würde er damit seinen Job abschaffen. Dieses moralische Dilemma kommt vielleicht im Zuge des groß angelegten Actiongedöns etwas zu kurz, doch dafür ist der Film trotz stattlicher Laufzeit von fast 2,5 Stunden sehr kurzweilig und unterhaltsam. Doch aufgrund seiner moralischen und ethischen Grundsatzfragen bleibt der Film auch weiterhin interessant, und so ist „Minority Report“ mittlerweile zu einem gut gealterten Science Fiction-Klassiker geworden.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

See How They Run (2022)

Regie: Tom George
Original-Titel: See How They Run
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Komödie, Krimi
IMDB-Link: See How They Run


Es kommt alles wieder. Die 80er. Die 90er. Klassische Whodunit-Krimis. Letztere sicherlich beeinflusst vom Erfolg der Knives Out-Filme von Rian Johnson und den Neuauflagen der Hercule Poirot-Krimis unter der Regie von Kenneth Branagh. Hercule Poirot stammt übrigens aus der Feder von Agatha Christie, der Königin des Krimis, und so verwundert es wenig, dass nach allen Reminiszenzen und Hommagen nun mal Christie selbst einen Auftritt in einem Krimi haben darf – wenngleich auch nur als Randfigur, denn rund um ihr Stück „Die Mausefalle“, das demnächst filmisch adaptiert werden soll, steigt plötzlich die Todesrate rapide an. Zunächst erwischt es den von sich selbst sehr eingenommenen Hollywood-Regisseur Leo Köpernick (Adrien Brody), der selbst im Jenseits nicht den Schlapfen halten kann und das Geschehen weiterhin fröhlich kommentiert. Auftritt Inspector Stoppard (Sam Rockwell) und Polizeinovizin Stalker (Saoirse Ronan), die große Mühe haben, sich einen Reim auf den Mord zu machen. Vor allem Constable Stalker lässt sich zu obskuren Lösungsversuchen hinreißen, die zwar von großem Enthusiasmus zeugen, aber den Fall nicht vorwärts bringen. Inspector Stoppard hingegen ist wenig begeistert, einen Rookie an die Hand nehmen zu müssen, und zeigt generell wenig Eigeninitiative. Aber, wie es halt so ist in diesem Genre: das ungleiche Paar rauft sich allmählich zusammen und kommt dem Bösen auf die Schliche. „See How They Run“ ist lakonisch erzählt, hat aber ein Problem: Gerade durch diese Reduktion in der Tonalität sind einem Helden, Opfer und Schurken irgendwie egal. Allein die Figur von Saoirse Ronan zeigt Tiefe und ist ein wenig gegen den Strich gebürstet. Ihr folgt man gerne, dem Rest nicht so ganz. Und so ist der Film zwar beileibe nicht schlecht, schöpft seine Möglichkeiten aber nicht aus. Einige skurrile Momente und eben die immer großartige Ronan allein sind zu wenig für einen guten Film.


5,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Parisa Taghizadeh – © 2021 20th Century Studios All Rights Reserved, Quelle http://www.imdb.com)

Amsterdam (2022)

Regie: David O. Russell
Original-Titel: Amsterdam
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Krimi, Drama, Komödie
IMDB-Link: Amsterdam


David O. Russell macht es mir nicht einfach. Für mich ist der renommierte Regisseur ein Überraschungsei. Oder, um es mit Forrest Gump zu sagen, eine Schachtel Pralinen. „Three Kings“ gehört zu den wenigen Filmen, die ich abgebrochen habe. Dann kam „The Fighter“, den ich richtig gut fand. Über „Silver Linings“ habe ich mich wieder geärgert. Zwar ein guter Film, aber hey, verdammt noch mal, der Oscar für die beste weibliche Hauptrolle gehörte Emmanuelle Riva für „Amour“. (Sorry, JLaw. Ich mag dich ja trotzdem, solange du keine russischen Spioninnen spielst.) Über „American Hustle“ konnte man sich hingegen gar nicht ärgern. Ein grandioser Film. Und dann „Joy“, wieder Jennifer Lawrence, diesmal aber in einem richtig miesen Film. Was ist nun „Amsterdam“ – Top oder Flop? Geht man nach den meisten Kritiken, hat hier David O. Russell eine veritable Bruchlandung hingelegt. Und ja, ich verstehe, wie man dazu kommt, den Film nicht zu mögen. „Amsterdam“ springt in der Tonalität recht erratisch umher, versucht, Komödie, Drama, Krimi und Thriller zu vereinen, um am Ende relativ unspektakulär auszulaufen. Und doch hat der Film etwas, das über die (erneut) überragende Darstellung von Christian Bale hinausgeht: Der Film will so erratisch sein. In einer chaotischen Zwischenkriegszeit (der letzte Krieg hat noch sichtbare Narben hinterlassen, der kommende ist zwar noch nicht greifbar, aber es brodelt sich etwas zusammen in der Weltpolitik) läuft eben nicht alles in einem klaren Bogen ab. Da gibt es Raum für Leid genauso wie für Hoffnung. „Amsterdam“ ist auch mehr an der Geschichte dreier durch das Schicksal verbundenen Freunde (Bale, Margot Robbie und John David Washington) interessiert als an der Krimi-Handlung, die die drei nach vielen Jahren wieder zusammenführt. Es geht mehr um die Frage, wie eng Freundschaften sein können, die aus gemeinsamem Schmerz geboren wurden. Und das ist vielleicht der hoffnungsvollste Aspekt des Films: Auch wenn die Welt durchzudrehen scheint, solange man sich auf seine Freunde verlassen kann, gibt es immer einen Grund, jeden Tag aufzustehen und weiterzumachen.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Courtesy of 20th Century Studios/Courtesy of 20th Century Studio – © 2022 20th Century Studios. All Rights Reserved, Quelle http://www.imdb.com)

Der denkwürdige Fall des Mr Poe (2022)

Regie: Scott Cooper
Original-Titel: The Pale Blue Eye
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Drama, Krimi, Historienfilm
IMDB-Link: The Pale Blue Eye


Harry Melling hat es geschafft. Aus dem nervigen und übergewichtigen Dudley Dursley ist Edgar Allen Poe geworden, und zwar in einer sehr überzeugenden Art und Weise. Dass er dennoch nur die zweite Geige in „The Pale Blue Eye“ (auf Deutsch sperrig „Der denkwürdige Fall des Mr Poe“) spielen darf, liegt an der ersten Geige. Wenn Christian Bale aufgeigt, haben alle anderen Pause. Bale spielt mit viel Gravitas den Privatermittler Augustus Landor, der nach einem seltsamen Vorfall in einer Militärakademie zu Hilfe gezogen wird: Ein Kadett wurde erhängt aufgefunden, und kurze Zeit später schnitt man dem Leichnam das Herz heraus. Bei seinen Ermittlungen stößt Landor auf den jungen Schriftsteller und Kadetten Edgar Allen Poe. Logisch, dass in weiterer Folge Treffen auf dem Friedhof stattfinden und sich auch mal ein Rabe dekorativ niederlässt. So viel Foreshadowing muss sein. Und doch bleibt der Film auf Landor fokussiert, der sich in eisiger Winterlandschaft einen Reim auf die Ereignisse zu machen versucht. Leider ist das höchst unspannend, um nicht zu sagen: schlichtweg fad. Da hilft es auch nicht, wenn in jeder kleinsten Nebenrolle echte Kapazunder vom Format eines Timothy Spall, eines Toby Jones, einer Gillian Anderson, eines Robert Duvall, einer Charlotte Gainsbourg zu sehen sind – ein fader Film bleibt ein fader Film. Lediglich der Twist am Ende reißt den im Fauteuil schlummernden Zuseher mal wieder kurz aus den Träumen, und man fragt sich: Hätte man nicht ökonomischer dorthin gelangen können?


5,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von SCOTT GARFIELD/NETFLIX © 2022/SCOTT GARFIELD/NETFLIX © 2022 – © 2022 Netflix, Inc, Quelle http://www.imdb.com)

Glass Onion: A Knives Out Mystery (2022)

Regie: Rian Johnson
Original-Titel: Glass Onion: A Knives Out Mystery
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Krimi, Komödie
IMDB-Link: Glass Onion: A Knives Out Mystery


Sein Name ist Blanc. Benoit Blanc. Daniel Craig hat nach der Abgabe des 007-Staffelstabes eine neue Rolle gefunden, die sich wunderbar auf viele Jahre ausdehnen lässt. Ähnlich wie Kenneth Branagh, der kurzerhand seinen Schnurrbart hochgezwirbelt hat, um in Neuauflagen berühmter Agatha Christie-Krimis als Hercule Poirot auf launige Verbrecherjagd zu gehen. Daniel Craigs Figur des smarten Südstaaten-Detektives hat zwar (noch) keine dermaßen langlebige popkulturelle Vorgeschichte wie sein belgisches Pendant Poirot, doch ist Benoit Blanc ganz in der Tradition smarter Gentleman- und Lady-Ermittler geschrieben. Rian Johnson, Autor und Regisseur der nunmehr zwei Knives Out-Filme, lehnt sich stark an seine legendären Vorbilder an. Der erste Knives Out-Film war ein großes Vergnügen, nicht zuletzt dank eines grandiosen Casts, der sichtlich Freude an dem familiären Verwirrspiel hatte. Das zweite mordslustige Abenteuer rückt Benoit Blanc mehr in den Fokus. Zwar hat er wieder eine Reihe prominenter Verdächtiger an seiner Seite (Edward Norton, Kate Hudson, Dave Bautista, Janelle Monáe, Leslie Odom Jr. und Kathryn Hahn), doch wirken diese Figuren weniger facettenreich als der Kreis der Tatverdächtigen im ersten, dichten Landhaus-Krimi. Dafür darf Daniel Craig eben groß aufspielen, was ihm prompt eine Golden Globe-Nominierung eingebracht hat. Die Kritiken überschlagen sich aktuell mit Lob für das stimmungsvolle Whodunit in exotischem Setting mit (erneut) sozialkritischer Komponente, doch mich persönlich hat dieses Versteckspiel weniger mitgerissen als der erste Film. Dieser war raffinierter, hintergründiger und dichter. Mit dem Versuch, in allen Belangen noch mal eine Schippe draufzulegen, hat sich Johnson keinen Gefallen getan. Immerhin ist der Film schön anzusehen und immer noch unterhaltsam. Doch die Qualität seines Vorgängers erreicht er nicht.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Rush Hour (1998)

Regie: Brett Ratner
Original-Titel: Rush Hour
Erscheinungsjahr: 1998
Genre: Action, Komödie, Krimi
IMDB-Link: Rush Hour


Es gab mal eine Zeit, in der Chris Tucker angesagt war. Es waren die 90er, Cancel Culture war noch kein Begriff, Jackie Chan war der heißeste Asien-Export seit Toyota und man hat in Actionkomödien noch politisch unkorrekt auf alles eingeprügelt, solange es der Unterhaltung diente. (Möglicherweise färbt das gerade ein wenig auf diese Filmrezension ab, *hüstel*.) Und Chris Tucker durfte sich als legitimer Nachfolger von Eddie Murphy sehen, wenn es darum ging, ein möglichst breites Grinsen und eine große Klappe als Asset in leichtgewichtige Komödien einzubringen. Wie eben „Rush Hour“. Die Story ist dabei nicht wirklich relevant. Asiatisches Mafiazeug schwappt auf die USA über, Hongkong sendet seinen besten Polizisten (Jackie Chan), der mit einem überforderten und gleichzeitig übermotivierten Großmaul einen Kindersitter zur Seite gestellt bekommt, da die Amis ja immer alles besser können, und man lässt sich schon gar nicht bei laufenden Ermittlungen von so einem dahergelaufenen Schlitzauge reinpfuschen. Natürlich raufen sich Großmaul und Hongkong-Cop zusammen und lösen den Fall dann auf ihre (eher unkonventionelle) Weise. „Rush Hour“ lebt von seinem ungleichen Hauptdarstellergespann, der Tatsache, dass es Jackie Chans erster Großauftritt in Hollywood war und natürlich den aberwitzigen Prügeleien. Wie gut so ein Rezept funktionieren kann, zeigen ja auch die unzähligen Terence Hill & Bud Spencer-Filme, die den gleichen Modus Operandi schon Jahrzehnte früher angewendet haben. „Rush Hour“ war dermaßen erfolgreich, dass daraus gleich zwei Fortsetzungen sowie eine Fernsehserie entstanden. Der Film ist eindeutig ein Kind seiner Zeit. Ist er vielleicht ein bissi rassistisch? Ja, das ist er. Aber lustig und kurzweilig ist er trotzdem.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat:© 1998 – New Line Cinema, Quelle http://www.imdb.com)

No Country for Old Men (2007)

Regie: Ethan und Joel Coen
Original-Titel: No Country for Old Men
Erscheinungsjahr: 2007
Genre: Drama, Krimi, Thriller
IMDB-Link: No Country for Old Men


2007 waren die Coen-Brüder längst überfällig für einen Regie-Oscar, und der Filmgott hatte ein Einsehen mit ihnen. In einem epischen Kopf-an-Kopf-Rennen stachen sie Paul Thomas Anderson aus, der mit „There Will Be Blood“ ebenfalls einen modernen Klassiker hingelegt hatte. Doch nichts ging in diesem Filmjahr über die fatalistische Abrechnung der Coens mit dem Schicksal und hollywood’schen Dei ex machina. In „No Country for Old Men“ stößt ein Jäger (Josh Brolin) im Texas der 80er Jahre (Josh Brolin) zufällig auf einen schief gelaufenen Drogendeal. Dealer und Käufer liegen nach einer Schießerei tot im Sand, das Geld muss nur eingesammelt werden. In einem Versuch, sein schlechtes Gewissen zu beruhigen, macht sich Llewelyn Moss in der Nacht noch einmal auf zum Schauplatz des Geschehens, um einem angeschossenen Mexikaner, dem einzigen Überlebenden, eine Flasche Wasser zu bringen. Doch genau damit setzt er eine Katz-und-Maus-Jagd in Gang, die nicht gut enden kann. Schon bald ist ihm der eiskalte Killer Anton Chigurh (Javier Bardem als einer der eindrucksvollsten Filmbösewichter aller Zeiten mit legendärer Prinz Eisenherz-Frisur) auf den Fersen. Der alte und altersmüde Sheriff Ed Tom Bell (Tommy Lee Jones) hat zwar schon bald eine Ahnung, was hier abgeht, ist aber immer mindestens einen Schritt zu langsam. Was nach einem gewöhnlichen Thriller-Plot klingt, wird durch die inszenatorische Meisterschaft der Coen-Brüder auf ein völlig neues Niveau gehoben. Das Besondere an diesem Film ist die Verweigerung klassischer Erzählmuster. Chigurh kommt wie das Schicksal selbst über die Hauptfiguren. Dazu passt es, dass er gelegentlich die Münze entscheiden lässt über Leben und Tod, und die Fairness des Zufalls als einzige Gerechtigkeit betrachtet. So ist „No Country for Old Men“ nicht nur ein spannungsgeladener, atmosphärisch dichter Thriller, sondern auch ein filmischer Resonanzkörper für die Unberechenbarkeit des Lebens selbst.


9,5 Kürbisse

(Bildzitat:© 2007 Paramount Vantage – Miramax, Quelle http://www.imdb.com)

The Good Nurse (2022)

Regie: Tobias Lindholm
Original-Titel: The Good Nurse
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Krimi, Drama
IMDB-Link: The Good Nurse


Treffen sich zwei Oscarpreisträger in einem Netflix-Krimi. Vorhang auf für Jessica Chastain und Eddie Redmayne, erstere von mir aufgrund ihrer Vielseitigkeit sehr geschätzt, zweiterer hatte seine Sternstunde als Stephen Hawking in „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ und trägt die Fantastic Beasts-Reihe mit sympathischer Schüchternheit. Dazu noch Darren Aronofsky als Produzent für ein True Crime-Drama, die Vorzeichen stehen also mal nicht schlecht für „The Good Nurse“. Es geht hierbei um eine mysteriöse Todesserie in der Intensivstation des Krankenhauses, für das die aufopfernde Krankenschwester Amy arbeitet. Immer wieder versterben hier überraschend Patientinnen, sodass das Krankenhaus schließlich auch die Polizei einschaltet. Dies aber sehr widerwillig, und rasch wird klar, dass etwas unter den Teppich gekehrt werden soll. Währenddessen schließt Amy Freundschaft mit dem neuen Kollegen Charlie, der schon in diversen Krankenhäusern tätig war, aber nie Fuß fassen konnte. Es entwickelt sich ein Krimi-Plot, der leider so vorhersagbar ist wie die Wetterlage in fünf Minuten. Spannungsarm wird der Plot heruntergekurbelt, und das, was man dem Film eigentlich positiv zugestehen müsste, nämlich, dass er die wahren Begebenheiten nicht überhöht und Dramatisierungen einbringt, die nicht nötig sind, wird ihm tatsächlich zum Verhängnis: Der Film tröpfelt ohne große Höhepunkte vor sich hin. Dass er nicht zum Rohrkrepierer verkommt, liegt am engagierten Spiel von Jessica Chastain, auch wenn der Rest des Casts blass bleibt (inklusive Eddie Redmayne). Der (für mich) fast interessantere Part des Films, nämlich das seltsame Gebaren des Krankenhaus-Managements bei den polizeilichen Ermittlungen, wird nur am Rande gestreift und funktioniert hier bloß als Hindernis, an dem sich die ermittelnden Polizisten (Noah Emmerich und Nnamdi Asomugha) vorbeiwinden müssen. Gerade darin läge aber die vielleicht ergiebigere Geschichte. Doch die ließe sich wohl nicht erzählen, ohne zu sehr ins Fabulieren zu geraten und wurde wohl deshalb auch ausgeklammert. So bleibt „The Good Nurse“ ein routinierter, aber spannungsarmer Krimi.


5,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von JoJo Whilden/JoJo Whilden / Netflix – © 2022 © Netflix, Quelle http://www.imdb.com)

Tori and Lokita (2022)

Regie: Jean-Pierre und Luc Dardenne
Original-Titel: Tori et Lokita
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Drama, Krimi
IMDB-Link: Tori et Lokita


Zum Abschluss meiner persönlichen Viennale gab es noch mal richtiges Wohlfühlkino, wie man es von den Brüdern Dardenne gewohnt ist. Die Jungs sorgen immer für Spaß. „Tori et Lokita“ ist da keine Ausnahme und reiht sich in ihr Gesamtwerk stimmig ein. Erzählt wird von einer sehr engen Beziehung zweier minderjähriger Flüchtlinge, die nach langer und beschwerlicher Reise in Belgien gelandet sind und nun – für die Aufenthaltsgenehmigung – beweisen müssen, dass sie Geschwister sind. Was nicht so einfach ist, da sie sich tatsächlich erst auf dem Boot nach Europa kennengelernt haben. In der Zwischenzeit verticken sie Drogen für einen Pizzabäcker, der sich dadurch ein Nebenbrot verdient. Außerdem müssen sie sich mit der Schlepperbande herumplagen, der sie immer noch Geld schulden. Alles wird von Minute zu Minute prekärer, und so bleibt Lokita bald kein Ausweg mehr, als das Angebot des Pizzabäckers anzunehmen, für ihn zwei Wochen lang als „Gärtnerin“ zu arbeiten, sprich: auf der geheimen Hanfplantage. „Tori et Lokita“ zeigt einmal mehr die schier ausweglose Situation von Menschen am Rande der Gesellschaft auf. Die Dardenne-Brüder haben einen sehr nüchternen, gleichzeitig aber intimen Blick auf diese Figuren, der die tragischen Schicksale nicht dramaturgisch überhöht, doch gerade deshalb eine Kraft entfaltet, die sich in der Magengrube entlädt. Viennale-Festivalkino par excellence. Wer dann noch fröhlich ist, hat sich echt gute Drogen reingepfiffen.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)