Weitere Filmfestivals

Salaryman (2021)

Regie: Allegra Pacheco
Original-Titel: Salaryman
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Dokumentation
IMDB-Link: Salaryman


Kein Wunder, dass S.T.S. in Japan nie groß wurden. Wer hätte unter diesen scheuen, arbeitswütigen, sich einem Ehrenkodex verpflichtet fühlenden Japanerinnen und Japanern schon die Textzeilen von „Irgendwann bleib i dann dort“ verstanden? „Doch bevor der Herzinfarkt / mi mit 40 in die Windln prackt / lieg i scho irgendwo am Strand / a Bottle Rotwein in der Hand / und steck die Fiaß in weißen Sand“. Niemals vereinbar mit der japanischen Arbeitsmoral! Die beißen die Herrschaften die Zähne zusammen, arbeiten als Sklaven ihrer Konzerne bis spät in die Nacht, trinken dann noch mit dem Chef oder mit Kollegen, und wenn sie Glück haben, schaffen sie es, sturzbetrunken in die letzte U-Bahn zu torkeln und zuhause zumindest drei, vier Stunden zu schlafen, ehe sich der Tag erneut wiederholt. Wer nicht so glücklich ist und länger feiert, als die U-Bahnen fahren, pennt einfach auf dem Gehsteig. Genau diese ihren Rausch ausschlafenden Anzugträger haben es der Costa Ricanerin Allegra Pacheco angetan. Was als Fotoprojekt begann – sie markierte mit Kreide die Umrisse der Schlafenden und fotografierte diese dann (probier das mal bei uns, so schnell kannst du gar nicht „DSGVO“ sagen, wie schon die Verwaltungsstrafe ins Haus flattert) – wuchs sich aus zu einem Dokumentarfilm, als sie begann, diese Leute zu interviewen. Das Resultat ist ein tiefer Einblick in die japanische Arbeitskultur und deren unmenschliche Auswüchse. Sie versucht auch, durch Interviews mit Historikern und Soziologen die Hintergründe dieser gewachsenen Kultur nachzuzeichnen, doch leider kommt gerade dieser interessante Part ein wenig zu kurz. Die Stärken ihres Films liegen eindeutig in diesen kleinen, intimen Porträts der „Salarymen“, die bis an die Grenzen der Belastungsgrenze und darüber hinaus gehen. Durchaus ein Film, der nachhallt. Und schön dann der nachgereichte Epilog, der aufzeigt, dass auch feste Krusten aufbrechen können.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Cuties (2021)

Regie: Theo W. Scott
Original-Titel: Cuties
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Kurzfilm, Animation, Experimentalfilm
IMDB-Link: Cuties


Der handgezeichnete Kurzfilm „Cuties“ von Theo W. Scott ist durchaus als ambitioniertes Projekt zu bezeichnen. Innerhalb von nur 5 Minuten möchte Scott die conditio humana herausarbeiten, die inhärent in uns liegende Grausamkeit, zu der wir fähig sind, eingebettet in nicht weniger als die gesamte Menschheitsgeschichte. Man muss schon einen veritablen Knall oder überbordendes Selbstvertrauen haben, um sich so etwas zuzutrauen. In welche Kategorie Theo W. Scott fällt, kann ich nicht beurteilen, aber ich ziehe zumindest meinen Hut vor so viel Chuzpe. Und im Großen und Ganzen glückt das Experiment auch. „Cuties“ ist ein bunter und blutiger Trip, fast schon wie ein vorgelagertes Echo auf „Unicorn Wars“, der im Anschluss an diesen Kurzfilm im Rahmen des SLASH Filmfestivals gezeigt wurde. Für meinen persönlichen Geschmack ist „Cuties“ etwas zu verspielt, zu chaotisch, weniger wäre hier mehr gewesen (was sich allerdings nicht auf die Dauer des Films bezieht), aber dennoch eine interessante, surreale Erfahrung.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: © Theo W. Scott, Quelle http://www.imdb.com)

The Businessman (2022)

Regie: Nathan Ginter
Original-Titel: The Businessman
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Kurzfilm, Horror
IMDB-Link: The Businessman


Das Schöne an Filmfestivals ist es, dass man hier Filme entdecken kann, auf die man sonst im Leben nicht gestoßen wäre, da sie einfach nicht verfügbar sind hierzulande. Nathan Ginters „The Businessman“, der als Vorfilm zu Blaze seine Weltpremiere auf dem SLASH Filmfestival hatte, ist so ein Beispiel dafür. Der fiese, mit einfachen Mitteln effektive Horrorfilm zeigt eine Begegnung eines jungen Schulmädchens im Wald mit einem Geschäftsmann, adrett im Anzug gekleidet mit einem Aktenkoffer bei sich, der dem Mädchen einen Deal anbietet. Der Horror spielt sich hierbei im Kopf der Zuseher:innen ab. „The Businessman“ zeigt auf, dass es auch mit geringem Budget gelingen kann, dem Auditorium das Gruseln zu lehren. Alles, was es dafür braucht, ist eine gute Idee und einen Darsteller, der so spielen kann, dass man seiner Figur keine zwei Zentimeter weit traut. Mit Steve Gamble hat Nathan Ginter einen solchen Schauspieler gefunden, und deshalb funktioniert der Grusel auch. Natürlich, unterm Strich ist „The Businessman“ nicht viel mehr als ein kurze Episode mit bitterer Pointe, aber diese Limitation liegt auch am Genre des Kurzfilms selbst. Immerhin wird man 9 Minuten lang gut unterhalten, und das ist schon mal nicht wenig, wie ich finde.


6,0 Kürbisse

Unicorn Wars (2022)

Regie: Alberto Vázquez
Original-Titel: Unicorn Wars
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Animation, Anti-Kriegsfilm
IMDB-Link: Unicorn Wars


Jeder findet Teddybären süß. Und Einhörner. Und bunte, quietschfidele Animationsfilme. All das bringt Alberto Vázquez in seinem Film „Unicorn Wars“ zusammen, doch dominiert schon bald eine ganz bestimmte Farbe auf der Leinwand: Blutrot. Denn er lässt seine putzigen Teddybären mit Pfeil und Bogen und Schwertern in den Krieg gegen die Einhörner ziehen, die die Teddys vor langer Zeit aus dem magischen Wald vertrieben haben. Seitdem verspüren die Bären Rachegelüste, und in ihrem heiligen Buch steht auch geschrieben, dass derjenige unsterblichen Ruhm erringen soll, der das letzte Einhorn getötet hat. Der Film folgt den beiden Teddybärenbrüdern Bluey und Tubby und deren Einheit auf ihrem Feldzug. Aus dem Pfadfinderausflug in den Wald wird schon bald blutiger Ernst, und es wird gemetzelt, dass selbst Quentin Tarantino überrascht die Augenbraue hebt. „Unicorn Wars“ ist auf den ersten Blick ein stilistisch sehr eigener, derber Spaß, der eine süß-klebrige Kinderwelt in einen Albtraum verwandelt. Doch den Film allein darauf zu beschränken, wäre zu kurz gegriffen. (Als ob die Behandlung von Genozid nicht schon genügend Tiefgang bieten würde.) Die kraftvolle Schlussszene macht nämlich noch einmal deutlich, worauf Vázquez eigentlich hinaus wollte mit seinem doch sehr speziellen Zugang. Und auch wenn das Ende etwas plakativ erscheint, so bietet es genügend Inhalt, um einerseits länger nachzuhallen und andererseits auch Diskussionen zu entfachen. Vielleicht einer der schrägsten Filme des Jahres, und sicherlich nicht für jeden Geschmack gedacht. Vor allem Einhornfans sollten sich gut überlegen, ob sie sich auf diesen Film einlassen möchten. Lohnen würde es sich jedoch schon.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle Slash Festival)

Shin Ultraman (2022)

Regie: Shinji Higuchi
Original-Titel: Shin Ultraman
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Action, Science Fiction
IMDB-Link: Shin Ultraman


Ich muss zugeben, japanische Populärkultur ist für mich unbekanntes Terrain. Klar, Godzilla kenne ich, die Bücher von Haruki Murakami mag ich, und dass Anime ein großes Ding sind, weiß ich auch, aber damit erschöpft sich mein Wissen um diesen Aspekt des japanischen Lebens auch. So musste mir Olaf Möller, der eine kurze Einführung in „Shin Ultraman“ im nachmittäglich gut besuchten Filmcasino gab, unter anderem erklären, dass „shin“ auf Japanisch „neu“ bedeutet. Einen neuen Ultraman gab’s also zu sehen, und, damit solch kulturell verkommenen Taugenichtse wie ich auch der Geschichte folgen können, das quasi als neue Origin-Story. Ultraman ist ein japanisches Phänomen, ein Gigant aus dem All mit allerlei Superkräften, der auf die Erde kommt, um diese vor böswilligen Kaijū, riesigen Monstern, zu beschützen. Shinji Higuchi nimmt sich dieses Helden, den es schon seit den 60er Jahren in Japan gibt, an und stellt ihn nun einem internationalen Publikum vor. Die Geschichte ist sehr kurzweilig umgesetzt und auch die Special Effects können sich wirklich sehen lassen. Man muss sich, vor allem als jemand, der abseits diverser Festivalfilme noch wenig Kontakt mit der japanischen Filmlandschaft hatte, erst einmal hineinarbeiten in die doch sehr spezielle Art und Weise, wie der Film gemacht ist – in das Spiel der Darsteller:innen, das zwischen leeren Blicken und blitzartigen Gefühlsausbrüchen schwankt, in den teils recht abrupten Schnitt, in die Lichtgestaltung. Das geht doch ein wenig entgegen europäischer Sehgewohnheiten. Doch hat man sich erst einmal daran gewöhnt, ist „Shin Ultraman“ ein vielleicht etwas zu lang geratenes, aber durchaus spannendes Vergnügen. Für Japanophile wohl ein Muss, aber auch für ein breiteres Publikum geeignet.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Blaze (2022)

Regie: Del Kathryn Barton
Original-Titel: Blaze
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Drama
IMDB-Link: Blaze


SLASH Festival. Jedes Jahr ein Fixpunkt in Österreichs Filmlandschaft. Hier werden fantastische, absurde, dystopische, groteske und erschreckende Filme gezeigt, die allesamt vereint, dass sie dem Naturalismus abschwören und eigene Wege gehen, die auf verschlungenen Pfaden ins Herz der Finsternis führen. So auch „Blaze“, das Langfilmdebüt der australischen Malerin Del Kathryn Barton. Das Thema des Films ist durchaus realistisch: Die zwölfjährige Blaze wird zufällig Zeugin einer Vergewaltigung mit Totschlag und davon, was absolut nachvollziehbar ist, stark traumatisiert. Trost spendet ihr – und hier kommt nun Bartons eigener Weg zum Vorschein – eine bunte, glitzernde Drachenlady in ihrem Schlafzimmer. „Blaze“ ist ein Traumabewältigungsfilm, der sein Thema nicht auf die leichte Schulter nimmt, aber dennoch einen sehr eigenen Zugang findet. In dieser Vermengung von tragischer Realität und Fantasie erinnert er an den grandiosen Film Die Beste aller Welten, ohne aber dessen Eindringlichkeit zu erreichen. Dafür wirkt „Blaze“ verspielter, und schon bald wird klar, dass der Film auch eine Allegorie auf das Erwachsenwerden durch den Verlust der Unschuld ist. Das alles in bunten, knalligen Farben, wie man sich halt die Fantasiewelt einer Zwölfjährigen vorstellt. Gerade in der Bildkomposition zeigt sich Bartons Hintergrund als Malerin. Der Film geht visuell Wagnisse ein, die aber fast alle aufgehen. Darunter legt sich ein Soundteppich, der verschiedenste Musikgenres ineinandergreifen lässt. Man könnte nun kritisch anmerken, dass es vielleicht ein bisschen zu viel von allem ist, zu gewollt, aber der Film funktioniert dennoch. Was nicht zuletzt an der überragenden Nachwuchsdarstellerin Julia Savage liegt, die ihrer Blaze Facettenreichtum und Tiefe verleiht. Man sollte sich diesen Namen merken.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Werewolves Within (2021)

Regie: Josh Ruben
Original-Titel: Werewolves Within
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Komödie, Horror
IMDB-Link: Werewolves Within


Ein Film, der auf einem Videospiel beruht, das auf einem Gesellschaftsspiel basiert. Was soll da schon schiefgehen? Theoretisch müsste man damit ja mindestens die halbe Weltbevölkerung ansprechen. Das dachten sich jedenfalls die Produzenten von „Werewolves Within“ und ließen Josh Ruben von der Leine. Die Grundidee ist ja eine vielversprechende: Der neue Ranger in der Kleinstadt darf sich gleich mal mit den seltsamen, leicht neurotischen Dorfbewohnern herumplagen, von denen einer wohl – wie schon bald vermutet wird – ein Werwolf sein könnte. Fortan regieren Misstrauen, Angst und Hysterie. Das Ganze ist gespickt mit viel Humor, mit dem das Werwolf-Genre auch gerne mal parodiert wird. Nur leider hat man auf eine entscheidende Zutat vergessen: Sympathische Charaktere. Gut, Ranger Finn (Sam Richardson) taugt als Identifikationsfigur und ist als netter Kerl natürlich derjenige, von dem man sich wünscht, dass er nicht als Abendessen endet, und auch Postlerin Cecily (Milana Vayntrub) als Love Interest hat ihre Momente, aber der gesamte Rest der Dorfgemeinschaft geht einem binnen weniger Minuten schon so auf den Keks, dass man fest dem Lykanthropen die Daumen drückt. Eine solche geballte Vielzahl an überzeichneten Charakteren gab’s am Slash Festival nicht mal bei First Date zu bewundern, und dort war es schon grenzwertig. Insofern plagt einem am Ende der Gedanke, dass „Werewolves Within“ noch viel cooler hätte sein können, wenn man sich ein bisschen beim Drehbuch und der Auswahl der Darsteller:innen bemüht hätte. Für den persönlichen Abschlussfilm des Festivals war’s schon in Ordnung, da der Film Tempo hat und auch nicht schlecht unterhält, aber viel bleiben wird davon wohl nicht.


5,5 Kürbisse

Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Lamb (2021)

Regie: Valdimar Jóhannsson
Original-Titel: Dýrið
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Horror, Drama
IMDB-Link: Dýrið


Die Isländer sind schon ein ganz eigenes Volk. Eigentlich bleiben sie ja lieber unter sich, außer es läuft im Fußball mal so richtig gut – da kann es auch schon mal passieren, dass die Hälfte der Bevölkerung des Landes in Paris weilt. In „Lamb“ von Valdimar Jóhannsson, der sich dafür mit dem bekannten Schriftsteller Sjón auf ein Packerl gehaut hat, gehen die Isländer jedoch wieder ihrer üblichen Beschäftigung nach: Schafe züchten und ins Weite starren. Star-Power hat sich Jóhannsson in Gestalt von Noomi Rapace geholt, die ihre Sache als traurige María auch ausgezeichnet macht. Gemeinsam mit ihrem Mann bewirtschaftet sie im Nirgendwo einen Hof, und dort kommt eines Tages auch ein ganz besonderes Lämmchen zur Welt. Was ich an „Lamb“ mag, ist, dass er konsequent Erwartungshaltungen unterläuft. Man ist ja schon aufgrund von langjährigem Kinogenuss bei bestimmten Themen oder Szenen in eine Richtung gepolt. Jóhannsson weiß das, und er geht dann lieber einen anderen Weg, der – im Nachhinein betrachtet – auch der stimmigere und realitätsnähere ist. So fühlt sich der Film trotz seiner Verankerung in der Fantastik sehr rund und menschlich an. Dazu kommen wunderschöne Aufnahmen der gewaltigen isländischen Landschaft, in der die Weite eine Beengung darstellt, und ein dazu passendes reduziertes, getragenes Tempo. Spannung bezieht der Film aus den leisen Untertönen. Der Zugang ist mehr ein philosophischer als ein auf Unterhaltung getrimmter. Das mag vielleicht nicht jedermanns Geschmack treffen, aber ich hatte mit dem Film meine Freude. Im Übrigen beweist der Film auch, dass Schafe ganz exzellente Schauspieler sein können.


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: © New Europe Film Sales, Quelle: http://www.imdb.com)

Prisoners of the Ghostland (2021)

Regie: Sion Sono
Original-Titel: Prisoners of the Ghostland
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Action, Komödie, Eastern, Western, Fantasy
IMDB-Link: Prisoners of the Ghostland


Da haben sich die richtigen beiden gefunden: Der komplett wahnsinnige Filmmacher Sion Sono und Nicolas Cage, unumstrittener König des Slash-Filmfestivals. Viele meinen ja, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die beiden zueinander finden würden. In „Prisoners of the Ghostland“ ist es nun endlich soweit, und komplett irre Film- und Szenenideen treffen auf gnadenlos durchexerziertes Overacting. A match made in heaven. Die Story ist dabei schon komplett nebensächlich. Ex-Bankräuber (Cage) wird von einem selbsternannten Gangster-Boss in Samurai City, wo Eastern und Western aufeinanderprallen, auf die Suche nach seinem Mädel (Sofia Boutella) ins mystische, fantastische Ghostland geschickt. Zur Motivation trägt der Held einen Lederanzug, an dem kleine Bomben an Hals, Armen und … nun ja … den Eiern befestigt sind. Scheitert er, gehen die Bomben an seinem Hals los. Betatscht er die Gerettete, müssen die Arme dran glauben. Und wann die Bomben an seinen Genitalien losgehen, muss ich wohl nicht extra erklären. Und so absurd diese Idee schon ist – Sion Sono zögert keinen Moment, diese so richtig auszukosten. Der Rest des Films sind wilde Settings, die zum Teil an Mad Max erinnern, komplett irre choreographierte Schießereien und Komparsen, die komplett gaga irgendwelche Chants singen dürfen. Ach ja, und atomare Explosionen natürlich. Das alles ist so over the top, dass man nur den Hut ziehen kann. Gleichzeitig ist der Film aber auch fürchterlich anstrengend – und aufgrund der fehlenden Story dann zwischenzeitlich sogar ein bisschen fad, wenn man sich an den ganzen visuellen Wahnsinn mal gewöhnt hat. Da stellt man dann nämlich fest, dass „Prisoners of the Ghostland“ zwar ein Gore-Fest der Sonderklasse ist, aber leider wenig Substanz hat. Im Übrigen: Arme Filmhistoriker, die irgendwann mal Nicolas Cages Karriere studieren müssen. Ab einem gewissen Punkt ist die einfach nicht mehr erklärbar.


5,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Wife of a Spy (2020)

Regie: Kiyoshi Kurosawa
Original-Titel: Supai no tsuma
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Historienfilm, Drama, Krimi
IMDB-Link: Supai no tsuma


Ich habe ja so meine Probleme mit dem umtriebigen japanischen Kult-Regisseur Kiyoshi Kurosawa. Ob nun seine Horror-Thriller-Anfänge (Cure) oder sein Ausflug ins Science Fiction-Genre (Before We Vanish) – bislang konnte mich nichts restlos überzeugen. „Wife of a Spy“, ein ruhig erzähltes Agentendrama im historischen Setting, ist jedoch nun mal ein Film, bei dem ich voll mitgehe. Zum Einen liegt das an der wirklich großartigen aufspielenden Besetzung (Yū Aoi als titelgebende Ehefrau Satoko, Issey Takahashi als ihr Mann Yūsaku mit Geheimnissen), zum Anderen an der grundsoliden Inszenierung, die das Drama fast schon als Kammerspiel aufzieht, in der die große Geschichte im Kleinen, nämlich im eigenen Wohnzimmer, auf die Familie Fukuhara hereinbricht. Hier gibt’s keine Action a la James Bond zu bestaunen – manchmal sind es eben auch kleine Fabriksbesitzer, die zu Helden der Geschichte werden können und große Wagnisse eingehen. Die Story ist kurz vor Japans Eintritt in den Zweiten Weltkrieg angesiedelt, die Kernfrage beschäftigt sich mit Moral und Glaubensgrundsätzen, und wie diese die Ehe der Fukuharas gefährden. Wie weit geht man, wenn man großes Unrecht vermutet und dieses zu verhindern versucht, und damit die Menschen, die man liebt, in Gefahr bringen könnte? Und vor allem: Wie geht die andere Seite, eben die eigene Ehefrau, mit der Situation um, wenn sie nach und nach hinter das doppelte Spiel des eigenen Mannes kommt? „Wife of a Spy“ zieht seine Spannung aus genau diesen Fragen und ist somit mehr Ehedrama als Spionagethriller, verbindet aber beide Genres geschickt. Einzig für das etwas langatmige Ende gibt’s Abzüge in der B-Note, das hätte man deutlich straffen können, ohne dass dabei etwas verlorengegangen wäre. Dennoch: „Wife of a Spy“ ist vielleicht die Tür zu Kiyoshi Kurosawa, die mir bislang verschlossen blieb.


7,5 Kürbisse

(Foto: Slash Filmfestival)