2020

Der Unsichtbare (2020)

Regie: Leigh Whannell
Original-Titel: The Invisible Man
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Drama, Horror, Thriller
IMDB-Link: The Invisible Man


Unsichtbar zu sein hat viele Vorteile. So muss man sich beispielsweise keine Gedanken über einen möglichen Bad Hair-Day machen und kann im Pyjama herumlaufen. Im Büro kann man endlich mal in Ruhe seine Sachen abarbeiten. Oder man kann seine psychotischen Neigungen ausleben und seine Exfreundin stalken und bedrohen. Jeder nach seinem Gusto. Nur blöd, wenn man die besagte Exfreundin ist, denn dann wird’s ungemütlich – zunächst für Elisabeth Moss in der Rolle der an ihrem Verstand Zweifelnden, dann aber für den Tunichtgut, der einfach ungeniert in ihrem Schlafzimmer herumlümmelt, ohne gesehen werden zu können. „Der Unsichtbare“ von Leigh Whannell geht auf einen ziemlich alten Stoff zurück. H. G. Wells schuf die literarische Vorlage, James Whale mit einer ersten Verfilmung 1933 einen Klassiker des Horrorgenres. Ziemlich große Fußstapfen also, in der Whannell mit seiner Verfilmung des Stoffs treten wollte. Man muss ihm hoch anrechnen, dass der Film wirklich gut geworden ist und jedenfalls für sich stehen kann. Mit einer feministischen Ermächtigungsgeschichte bringt Whannell eine zeitgemäße und intelligente eigene Note hinein, die von Elisabeth Moss, einer grandiosen Könnerin ihres Fachs, kongenial getragen wird. So ist diese Neuverfilmung nicht nur ein spannend inszenierter Nägelbeißer, sondern wartet auch noch mit einer klaren Botschaft an die Machos da draußen auf, die meinen, eine Freundin würde in die Kategorie des persönlichen Besitzes fallen.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Universal Pictures – © 2020 Universal Pictures, Quelle http://www.imdb.com)

Beyond the Infinite Two Minutes (2020)

Regie: Junta Yamaguchi
Original-Titel: Droste no hate de bokura
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Science Fiction, Komödie
IMDB-Link: Droste no hate de bokura


Was ist die wichtigste Zutat für einen gelungenen, unterhaltsamen Film? Die Antwort ist ganz einfach: Eine originelle Idee, die konsequent und mit handwerklichem Geschick umgesetzt wird. „Beyond the Infinite Two Minutes“, das Regiedebüt von Junta Yamaguchi, hat genau diese Zutat in ihrer geschmackvollsten Form. Gäbe es einen Oscar für Originalität, der hätte fix nach Japan gehen müssen. In diesem handwerklich einfach gehaltenen, aber inhaltlich komplexen Low-Budget-Film entdeckt ein Kaffeehausbesitzer, dass sein Monitor im Café und jener in seinem Zimmer über dem Café miteinander verbunden sind. Der untere Bildschirm zeigt zwei Minuten in die Zukunft. Nun sind zwei Minuten relativ unspektakulär – große Weissagungen a la Nostradamus lassen sich damit nicht machen. Aber ein Freund von Kato, dem Kaffeehausbesitzer, hat schon bald die Idee, die beiden Bildschirme so aufzustellen, dass sie einander ansehen und so einen sogenannten Droste-Effekt zu erzeugen – das ist, wenn ein Bild ein Bild zeigt, das das Bild zeigt, das das Bild zeigt etc. Und plötzlich geht der Blick in die Zukunft schon weiter – mit allerlei vergnüglichen und aberwitzigen Folgen. „Beyond the Infinite Two Minutes“ ist einer jener Filme, die vom Zuseher höchste Konzentration erfordern, da man sonst schlicht mit diesem minutenweisen Herumhüpfen zwischen Zukunft und Vergangenheit überfordert ist. Gleichzeitig aber, und das macht den Film so besonders, ist das keine große Anstrengung oder Arbeit, denn Yamaguchi inszeniert seine Sci-Fi-Story mit viel Augenzwinkern und ist immer auf den Unterhaltungswert bedacht. So ist der Film zwar clever gestrickt, aber in erster Linie macht er Spaß. An das Overacting der Laientheatertruppe, die für den Film rekrutiert wurde, muss man sich vielleicht zu Beginn erst einmal gewöhnen, aber genau das trägt dann auch zum Charme des Films bei, der so handwerklich unbedarft wirkt, aber mit seiner originellen Story fast schon als Geniestreich bezeichnet werden kann.


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Ballade von der weißen Kuh (2020)

Regie: Behtash Sanaeeha und Maryam Moghadam
Original-Titel: Ghasideyeh gave sefid
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Drama
IMDB-Link: Ghasideyeh gave sefid


Es ist ein harter Kampf an der Spitze. Noch hat Österreich (vor allem dank der unermüdlichen Beiträge von Michael Haneke) die Nase vorn im Rennen um die Feel-Bad-Film-Nation der Welt, aber der Iran lässt sich nicht lumpen und zückt mit der „Ballade von der weißen Kuh“ ein Ass. Der Film beginnt gleich mal mit einem Besuch in einem äußerst trostlosen Gefängnis, in dem Mina (Maryam Moghadam, die auch gleich am Drehbuch und der Regie mitgewirkt hat) ihren Ehemann zum letzten Mal sieht. Kurze Zeit später ist derselbige tot, und Mina muss sich mit ihrer gehörlosen Tochter allein abkämpfen. Die Wohnung ist winzig, das Geld ist alle, und als Witwe eines verurteilten und hingerichteten Mörders hat man nicht unbedingt ein erfülltes Sozialleben. Und weil alles eh schon so scheiße ist, kommt plötzlich auch noch die Nachricht, dass die Verurteilung und Exekution des Gatten auch noch ein Justizirrtum war. Auftritt Reza (Alireza Sanifar), ein traurig blickender Mann, dessen Sohn sich gerade zum Militärdienst verabschiedet hat, und der dem Verstorbenen noch was schuldete. Zwischen den beiden einsamen Seelen entwickelt sich eine freundschaftliche Zuneigung – vielleicht das bisschen Licht in dieser dunklen Welt, das es in diesem Moment braucht. Aber: Das iranische Regieduo macht seine Sache gründlich, und was ein Haneke kann, können die beiden auch. Also geht mal lieber nicht davon aus, dass am Ende alle happypeppy sind, der verstorbene Ehemann als fröhlicher Geist Stepptänze aufführt und die ganze Familie glücklich ins Disneyland fährt. Wäre natürlich auch eine Variante gewesen, den Film ausklingen zu lassen, aber das Ende passt schon so, wie es ist. Die Welt ist eben mancherorts und manchmal so deprimierend. Und damit ist die „Ballade von der weißen Kuh“ ein konsequenter Film, über den man noch lange diskutieren kann. Eine Empfehlung von mir. Und der Haneke zuckt wohl auch schon ganz nervös im Kinosessel.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: © Amin Jafari, Quelle http://www.imdb.com)

Palm Springs (2020)

Regie: Max Barbakow
Original-Titel: Palm Springs
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Rom-Com, Fantasy
IMDB-Link: Palm Springs


Die gute alte Zeitschleifengeschichte. Zu Perfektion gebracht in Und täglich grüßt das Murmeltier, als Bill Murray als zynischer Wetterfrosch so lange den gleichen beschissenen Tag erleben musste, bis er Andie McDowells Herz gewinnen konnte. So ähnlich geht’s in „Palm Springs“ auch Nyles (Andy Samberg). An seiner Situation sind immerhin zwei Dinge positiv: 1. dass der tausendfach wiederholte Tag ausgerechnet eine Hochzeit ist, zu der er geladen ist – will heißen: gutes Essen und Alkohol bis zum Abwinken. Und 2. zieht er – eher unabsichtlich – die Brautjungfer Sarah (Cristin Milioti) in seine Zeitschleifenwelt hinein. Die ist anfangs nicht so glücklich darüber, jeden Tag den gleichen Tag aufs Neue erleben zu müssen. Aber irgendwann arrangiert man sich miteinander, denn zu zweit lässt sich die Ewigkeit immer noch leichter ertragen als allein. Doch wie schon die Fantastischen Vier philosophiert haben: Es könnte alles so einfach sein, ist es aber nicht. Wir sind hier im Genre der fantastischen Rom-Com, also braucht es noch etliche Verwicklungen, Missverständnisse und Bekenntnisse bis zur finalen Katharsis. Der Weg dahin ist unterhaltsam und sympathisch gespielt gezeichnet. Und selbst wenn das Thema der Zeitschleifen cineastisch in der Vergangenheit schon arg ausgelutscht wurde, ist der Zugang in „Palm Springs“ immerhin erfrischend genug, um den Zuseher bei Laune zu halten. Klar, Originalitätspunkte gibt es dafür keine, aber der Film macht Spaß und ist nett anzusehen. Und: Der Film zeigt mitunter die besten Luftmatratzen der Filmgeschichte. Ich will so eine verdammte Pizzamatratze für meinen nächsten Italienurlaub haben!


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Wife of a Spy (2020)

Regie: Kiyoshi Kurosawa
Original-Titel: Supai no tsuma
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Historienfilm, Drama, Krimi
IMDB-Link: Supai no tsuma


Ich habe ja so meine Probleme mit dem umtriebigen japanischen Kult-Regisseur Kiyoshi Kurosawa. Ob nun seine Horror-Thriller-Anfänge (Cure) oder sein Ausflug ins Science Fiction-Genre (Before We Vanish) – bislang konnte mich nichts restlos überzeugen. „Wife of a Spy“, ein ruhig erzähltes Agentendrama im historischen Setting, ist jedoch nun mal ein Film, bei dem ich voll mitgehe. Zum Einen liegt das an der wirklich großartigen aufspielenden Besetzung (Yū Aoi als titelgebende Ehefrau Satoko, Issey Takahashi als ihr Mann Yūsaku mit Geheimnissen), zum Anderen an der grundsoliden Inszenierung, die das Drama fast schon als Kammerspiel aufzieht, in der die große Geschichte im Kleinen, nämlich im eigenen Wohnzimmer, auf die Familie Fukuhara hereinbricht. Hier gibt’s keine Action a la James Bond zu bestaunen – manchmal sind es eben auch kleine Fabriksbesitzer, die zu Helden der Geschichte werden können und große Wagnisse eingehen. Die Story ist kurz vor Japans Eintritt in den Zweiten Weltkrieg angesiedelt, die Kernfrage beschäftigt sich mit Moral und Glaubensgrundsätzen, und wie diese die Ehe der Fukuharas gefährden. Wie weit geht man, wenn man großes Unrecht vermutet und dieses zu verhindern versucht, und damit die Menschen, die man liebt, in Gefahr bringen könnte? Und vor allem: Wie geht die andere Seite, eben die eigene Ehefrau, mit der Situation um, wenn sie nach und nach hinter das doppelte Spiel des eigenen Mannes kommt? „Wife of a Spy“ zieht seine Spannung aus genau diesen Fragen und ist somit mehr Ehedrama als Spionagethriller, verbindet aber beide Genres geschickt. Einzig für das etwas langatmige Ende gibt’s Abzüge in der B-Note, das hätte man deutlich straffen können, ohne dass dabei etwas verlorengegangen wäre. Dennoch: „Wife of a Spy“ ist vielleicht die Tür zu Kiyoshi Kurosawa, die mir bislang verschlossen blieb.


7,5 Kürbisse

(Foto: Slash Filmfestival)

Alien on Stage (2020)

Regie: Lucy Harvey und Danielle Kummer
Original-Titel: Alien on Stage
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Dokumentation
IMDB-Link: Alien on Stage


Britischer wird’s nicht mehr: Eine Laientheatergruppe eines Busunternehmens in Dorset, England, wird durch einen glücklichen Zufall für eine Nacht im Leicester Square Theatre in London für ihre Darstellung von „Alien“ gebucht. Vom Dorseter Gemeindetheater ans West End – und das mit handgemachten Requisiten, die man eilig selbst zusammengebastelt hat, und null schauspielerischer Erfahrung, aber viel Herzblut und Enthusiasmus und britischem Humor. Was soll da schon schiefgehen? „Alien on Stage“ von Lucy Harvey und Danielle Kummer ist eine liebevoll inszenierte Dokumentation über einen Box Office-Hit in der Londoner Theaterszene, den man eigentlich nicht für möglich halten kann. Im Fokus stehen dabei die Vorbereitungen der sichtlich überforderten Truppe auf den großen Abend, wobei der Regisseur des Laientheaters Dave Mitchell besonders viel Raum einnimmt – sehr zum Gaudium des Publikums, denn dem Mann mit dem staubtrockenen Humor, der sichtlich keine Ahnung hat, wie er sich nur in diese Situation hineintheatern konnte, plötzlich für eine ausverkaufte West End-Produktion verantwortlich zu sein, sollte man ein Denkmal bauen. Was er und seine Leute mit viel Improvisationstalent, Fantasie und Leidenschaft auf die Bühne stellen, ist schlicht grandios. Den Weg dahin zu begleiten und das Endresultat dann in einem Zusammenschnitt der besten Szenen auch noch zu sehen, macht wahnsinnig viel Spaß. „Alien on Stage“ ist eine Feelgood-Dokumentation, der man gerne folgt. Vielleicht hätte man die Hintergründe, wie es überhaupt zu dieser Schnapsidee gekommen ist, noch mehr beleuchten können, aber geschenkt. Nun würde mich interessieren, was Ridley Scott dazu sagt. Ich bin mir sicher, er wäre begeistert, denn kreativer kann eine Hommage an einen der besten Science Fiction-Filme der Geschichte nicht ausfallen.


7,5 Kürbisse

(Foto: Slash Filmfestival)

Lapsis (2020)

Regie: Noah Hutton
Original-Titel: Lapsis
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Drama, Science Fiction, Satire
IMDB-Link: Lapsis


In einer alternativen Realität sind Quantencomputer der neue heiße Scheiß, den jeder haben muss. Für das Verlegen der Quantenkabeln braucht es jedoch die neue Berufsgruppe der Kabelverleger. Die rennen mit Kabelrollen auf fest vorgegebenen Routen durch den Wald und stöpseln die Kabeln an Hubs an. Je länger und aufwendiger die Route, desto mehr Kohle gibt es. Gleichzeitig marschieren quasi als Ansporn kleine Roboter die gleichen Routen entlang – und wer von einem solchen Roboter überholt wird, bekommt kein Geld ausgezahlt. Ray (Dean Imperial) nimmt, auch wenn er nicht sonderlich gut in Form ist, diesen Job an, um die teure Behandlung seines kranken Bruders zahlen zu können. Auf dem Weg lernt er andere Kabelverleger kennen, die aber seltsam reagieren, wenn er seinen Usernamen nennt. Während sich für gewöhnlich jeder selbst einen Namen aussuchen kann, wurde Ray der Name zugeteilt – und der Name scheint eine Vergangenheit zu haben. Erst die Gespräche mit der Kabelverlegerin Anna (Madeline Wise) bringen allmählich Teile dieser Vergangenheit ans Tageslicht. „Lapsis“ ist ein gemütlicher Film. Die meiste Zeit über hatschen Ray und seine Kompagnons durch die Landschaft, während sie Kabelrollen hinter sich herziehen, oder sie campieren pfadfindermäßig in Zeltlagern. Im Detail und zwischen den Zeilen offenbart sich aber eine subtile Gesellschaftskritik, die die alternative Realität nur so weit entfremdet, dass diese Kritik nicht mit dem Holzhammer, sondern mit der feinen Klinge geübt wird. Das ist vielleicht gleichzeitig auch der größte Schwachpunkt des Films: Gerade dieser subtile Zugang ist halt nicht wahnsinnig aufregend anzusehen. Allerdings steckt inhaltlich schon einiges drinnen (Ausbeutung der Arbeiter durch Großkonzerne, Verdrängung durch Automatisierung, das Sozial- und Medizinwesen der USA) – man muss nur ein Stück weit unter das Offensichtliche tauchen.


7,0 Kürbisse

(Foto: Slash Filmfestival)

Promising Young Woman (2020)

Regie: Emerald Fennell
Original-Titel: Promising Young Woman
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Drama, Thriller, Komödie, Krimi
IMDB-Link: Promising Young Woman


Anfang des Jahres mit dem Oscar für das beste Drehbuch ausgezeichnet, gibt es mit ordentlicher Corona-Verspätung Emerald Fennells Debütfilm „Promising Young Woman“ nun endlich auch bei uns in den Kinos zu sehen. Und was für ein Debüt das ist! Die von mir hochgeschätzte Carey Mulligan ist auf einem Rachefeldzug gegen die toxische Männerwelt, der auf der einen Seite herrlich überdreht wirkt und unglaublich unterhaltsam anzusehen ist, auf der anderen Seite aber einen bitteren Unterton aufweist und fast beiläufig unsere Gesellschaft bis ins Kleinste seziert. Fast jede Szene weist diese beiden Seiten auf. Das Unterhaltsame und das Bittere stehen gleichberechtigt nebeneinander, und es liegt an einem selbst, was man hiervon mitnimmt – im Idealfall beides. Worum geht’s? Die 30jährige Cassie, einst eine vielversprechende Medizinstudentin, jobbt untertags in einem Coffeeshop und stellt abends Männern nach, denen sie vorgaukelt, sturzbetrunken zu sein. Wenn diese nun die scheinbar einfache Gelegenheit für ein erotisches Abenteuer mitnehmen möchten, bereuen sie dies schon bald. Doch hinter dieser einfach wirkenden Story verbirgt sich eine gut begründete und hintergründige Rachegeschichte, die sich in all ihren Schichten nach und nach aufblättert. Grandios ist neben Mulligans Schauspiel und der perfekt eingesetzten Musik mit einigen großartigen Coversongs die Tatsache, dass Emerald Fennell, die neben der Regie auch für das prämierte Drehbuch verantwortlich zeichnet, die Grauschattierungen unseres komplexen Zusammenlebens aufgreift und sich nicht damit zufrieden gibt, einfach mal die Frau gegen die Männer austeilen zu lassen. Das Ende ist bitter und zynisch und befriedigend gleichermaßen. „Promising Young Woman“ ist ein Glücksfall von einem Film, der vordergründig beste Unterhaltung bietet und quasi über die Hintertür hochgradig relevante Themen verhandelt. Und jetzt ab ins Kino mit euch!


8,5 Kürbisse

(Bildzitat:: © 2019 – Focus Features, Quelle http://www.imdb.com)

Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn (2020)

Regie: Cathy Yan
Original-Titel: Birds of Prey (and the Fantabulous Emancipation of One Harley Quinn)
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Action, Komödie
IMDB-Link: Birds of Prey (and the Fantabulous Emancipation of One Harley Quinn)


Als Mitglied des Suicides Squads bestach Margot Robbie als völlig durchgeknallte Harley Quinn sowohl im ersten als auch im zweiten Film und war quasi das verbindende Glied zwischen der David Ayer-Gurke und dem James Gunn-Trashfest. In „Birds of Prey“ unter der Regie von Cathy Yan ist sie nun auf Solopfaden unterwegs, nur um im Laufe des Films festzustellen, dass Freundschaften auch für Irre eine Wohltat sein können. Zunächst aber ist erst mal die Trennung vom Joker zu verdauen, und ganz ehrlich, wenn ich mir noch mal den völlig uncharismatischen Jared Leto-Joker aus dem ersten Suicide Squad-Film vor Augen halte, dann wundere ich mich schon ein bisschen, was sie an dem gefunden hat. Die Hyäne, die sie sich stattdessen anschafft, hat jedenfalls mehr gute Szenen als Jared Leto im ersten Film. Aber sei es, wie es sei, so eine Trennung hinterlässt Spuren – im Fall von Harley Quinn sind das Spuren der Verwüstung – und plötzlich befindet sie sich mitten in einer abenteuer- und explosionsreichen Suche nach einem Diamanten und muss sich um eine junge Kleptomanin kümmern, während ihr eine Polizistin, eine geheimnisvolle Armbrust-Jägerin, ein ziemlich verschenkter Ewan McGregor samt seiner Sängerin/Chauffeurin und ein paar rachsüchtige Kerle auf den Fersen sind. Der Rest ist unterhaltsames und gut gelauntes Actionkino mit dem bisschen Extra-Wahnsinn, den Margot Robbie einbringt. Die Formel funktioniert hier ganz passabel, auch wenn sie jetzt nicht sonderlich viele Kreativitätspunkte bringt und die Story selbst mehr eine Ausrede dafür ist, möglichst viele Schlägereien und Schießereien anzuzetteln. Immerhin darf mal geballte Frauenpower der Männerwelt den Arsch versohlen, und das tun die Damen mit viel Verve und coolen Sprüchen, die das auf der Leinwand/dem Bildschirm Gesehene so selbstverständlich macht, wie es in der heutigen Zeit eigentlich auch sein sollte.


5,5 Kürbisse

(Bildzitat:: Quelle http://www.imdb.com)

Fuchs im Bau (2020)

Regie: Arman T. Riahi
Original-Titel: Fuchs im Bau
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Drama
IMDB-Link: Fuchs im Bau


Will man erklären, worum es in Arman T. Riahis neuem Film geht, kann man sich so behelfen: Man stelle sich „Dangerous Minds“ vor, ergänze das durch „Club der toten Dichter“, würze das mit einer Prise österreichischem Filmpessimismus und versetze die Geschichte in einen Jugendknast. Dann hat man einen ganz guten Eindruck, was einen in „Fuchs im Bau“ erwartet. Spannend ist jedenfalls, dass der Film in der Tonalität so gänzlich anders als Riahis voriger Film Die Migrantigen wirkt, obwohl er sich mit diesem sogar den Hauptdarsteller Aleksandar Petrovic teilt – der ebenfalls ganz andere Töne anschlägt als in der satirischen Migrantenkomödie. Als neuer Gefängnislehrer Hannes Fuchs schleppt er jede Menge eigener Probleme in den schon ohnehin problembehafteten Gefängnisunterricht. Er soll die alteingesessene Lehrerin Berger (Maria Hofstätter, wie gewohnt souverän) ablösen, doch ehe er daran überhaupt denken kann, muss er erst mal lernen, sich durchzusetzen in einer Klasse voller Jugendlicher mit Gewaltproblemen und ohne Zukunftsperspektiven. Über die burschikose Samira (mitreißend: Luna Jordan), die zusätzlich zu ihrer Gefängnisstrafe noch tiefer liegende Probleme mit sich herum trägt, findet der aus einem Ereignis in der jüngeren Vergangenheit selbst traumatisierte Fuchs allerdings allmählich Zugang zu diesem Milieu. Man merkt es an meiner Wortwahl: Probleme, Probleme, Probleme. Die ziehen sich als rote Linie durch den Film. Kaum jemand, der nicht mindestens ein paar Jahr guter Gesprächstherapie notwendig hätte. Ausgenommen vielleicht Tara Ketabi (Sibel Kekilli) von der Jugendgerichtshilfe, die aber nicht nur deswegen wie ein Fremdkörper wirkt – Sibel Kekilli spielt erstaunlich konsequent an allen Anderen vorbei, als wäre sie wortwörtlich im falschen Film. Außerdem macht es sich Riahi zur Aufgabe, möglich nichts direkt zu erzählen, sondern alle Hintergründe, die vielleicht für ein tieferes Verständnis der Figuren hilfreich (und manchmal auch notwendig) wären, anzudeuten. Viele Fragen bleiben offen. An sich mag ich dieses indirekte Erzählen ja sehr, aber hier gerät es zum Manierismus. Dass „Fuchs im Bau“ dennoch über die ganze Handlung hinweg interessant bleibt, spricht dann wiederum für seine Qualitäten als Filmmacher.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)