2021

House of Gucci (2021)

Regie: Ridley Scott
Original-Titel: House of Gucci
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Drama, Krimi, Biopic
IMDB-Link: House of Gucci


Der erste Kinobesuch des Jahres – ein Film, auf den ich mich schon sehr gefreut habe. Ridley Scott gehört zu meinen Lieblingsregisseuren, die Besetzung liest sich großartig, die Story klingt interessant (und ich muss zugeben, dass ich die realen Hintergründe gar nicht auf dem Schirm hatte – diese abgedrehte und abgefuckte Geschichte ist damals komplett an mir vorübergegangen) – alles ist angerichtet für ein Fest. Dass der Film dann doch nicht so geliefert hat, wie ich mir das im Vorfeld erhofft hätte, liegt vor allem an seinen Längen im Mittelteil und einem sehr inhomogen agierenden Cast. Auf der Habenseite sind da Lady Gaga und Adam Driver als Ehepaar Gucci, das sich vom mittellosen und aus dem Clan ausgestoßenem Teil der Familie an die Macht schwingt, vor allem dank Patrizia Guccis skrupellosem Machthunger, auf der anderen Seite agieren ein unkenntlicher Jared Leto, Al Pacino und auch Salma Hayek so, als wären sie eigentlich für eine komödiantische Parodie verpflichtet worden. Vor allem Leto übertreibt maßlos. Der großartige Jeremy Irons pendelt sich da irgendwo in der Mitte ein – seine Rolle ist aber definitiv zu klein, um einen großen Fußabdruck zu hinterlassen. Über den Inhalt möchte ich nicht zu viel verraten. Gut ist aber, dass sich Ridley Scott vor allem auf das Ehepaar Patrizia und Maurizio Gucci konzentriert, ihre sich im Verlauf der Zeit wandelnde Beziehung und die Dynamik dahinter. Sowohl Lady Gaga als auch Adam Driver spielen oscarreif und tragen den Film auch über manche Länge hinweg. Man hätte das alles straffen können, an manchen Stellen wirkt der Film unfokussiert, als hätte Altmeister Ridley Scott Stress beim Arbeiten gehabt. Da wirkt sein im gleichen Jahr erschienenes Historiendrama The Last Duel, auch wenn der Film ebenfalls seine Längen hat, doch noch mal konzentrierter. Dennoch ist „House of Gucci“ sehenswert, allein schon wegen der irren Story gegen Ende hin und dem grandiosen Schauspiel von Lady Gaga. Es ist schon ein bisschen unfair vom Schicksal, die junge Dame sowohl zur Ikone der Musik zu machen als ihr auch noch dieses schauspielerische Talent in die Wiege gelegt zu haben. Wenn die jetzt auch noch malen kann, bin ich endgültig angepisst.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Encanto (2021)

Regie: Jared Bush und Byron Howard
Original-Titel: Encanto
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Animation, Musical
IMDB-Link: Encanto


Disney hat, wie es aussieht, ganz gut bei Pixar hingeschaut. Pixar-Filme erfreuen sich unter anderem deshalb so großer Beliebtheit, weil sie neben herausragenden Animationen auch immer hochemotionale Geschichten erzählen, in denen Werte wie Familie, das Aufwachsen und Freundschaft wundervoll zelebriert werden, ohne dass diese durch billige Gags torpediert werden. „Encanto“ ist so etwas wie Disneys Pixar-Film. Dass man sich heutzutage durchaus ethnisch öffnen kann und Helden mit anderen Hautfarben und aus anderen Kulturkreisen in den Vordergrund rücken darf, hat Pixar mit Coco oder Soul ja schon mehrfach bewiesen. Und auch Disney selbst unternahm mit Vaiana schon erste Schritte in die richtige Richtung. In „Encanto“ wird der Zuseher nun in ein magisches Dorf in Kolumbien geführt, in dem alle Familienmitglieder der Madrigals besondere Fähigkeiten haben, nur die aufgeweckte und mit Locken und Brille wundervoll antiprinzessenhafte Mirabel ging bei der Vergabe der magischen Talente leer aus – sehr zum Missfallen der Matriarchin Abuela. Doch man kann sich darauf verlassen, dass es gerade die unscheinbare Mirabel ist, auf die es ankommt, als sich eine dunkle Bedrohung am Horizont zusammenbraut. „Encanto“ ist ein animiertes Musical und eine entzückende Familiengeschichte. Für die Songs zeichnet Lin-Manuel Miranda verantwortlich, der seit einigen Jahren einen Lauf hat. In diesem Fall sind aber gerade die Songs (und da darf man durchaus geteilter Meinung sein) der für mich größte Schwachpunkt des Films. Man versucht, modern und peppig zu sein, aber leider bleibt kaum ein Song im Ohr. Immerhin sind die Songs nicht nervig, das kann man schon mal auf der Habenseite verbuchen, aber es klingt halt alles recht belanglos. Dafür funktioniert die Kerngeschichte, die einen sehr emotionalen Höhepunkt findet. Man hätte das Ende sogar noch etwas konsequenter ausfallen lassen können, aber gut, das verbietet wohl die Disney-DNA. Dennoch: Smells like Oscars. Und auch wenn ich mich freuen würde, wenn molto simpatico Luca aus der Schwesterfabrik Pixar den Goldjungen mit nach Hause an den Meeresgrund nehmen könnte, wäre „Encanto“ definitiv eine gute Wahl.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Photo by Disney/DISNEY – © 2021 Disney, Quelle http://www.imdb.com)

Raya und der letzte Drache (2021)

Regie: Don Hall und Carlos López Estrada
Original-Titel: Raya and the Last Dragon
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Animation, Abenteuerfilm, Fantasy
IMDB-Link: Raya and the Last Dragon


Disney hat es tatsächlich getan: eine Disney-Prinzessin erschaffen, die nicht auf der Suche nach dem Märchenprinzen ist. O tempora, o mores! Noch dazu hat die junge Raya sowohl sprichwörtlich als auch wortwörtlich die Hosen an, sie kämpft mit einem Schwert und kann richtig sauer werden. Aber gut, das wäre ich wohl auch, wenn ich nach einer verratenen Freundschaft mit ansehen müsste, wie mein Vater zu Stein verwandelt wird. Um das ungeschehen zu machen, durchstreift sie das von finsteren Mächten verwüstete Land auf der Suche nach den Bruchteilen eines Edelsteins mit Drachenpower. Dabei stößt sie auf Sisu, den letzten Drachen, und gemeinsam stehen die beiden vor der großen Aufgabe, ein gespaltenes Land zu vereinen und das Böse von der Erde zu tilgen. Das alles wird natürlich mythologisch aufgeladen erzählt, sodass es nach mehr klingt, als es ist, aber die Story ist hübsch genug gestrickt, um den Zuseher bei der Stange zu halten. Generell macht der Animationsfilm nicht viel falsch, ohne aber den Eindruck besonderer Kreativität zu erwecken, wie man es von den besten Pixar-Filmen kennt. Gleichzeitig sind die Animationen liebevoll und detailreich gestaltet, sodass man dem Film nicht attestieren kann, ein Produkt von der Stange zu sein. Auch wirkt das Werk vor allem in den Kampfszenen deutlich reifer und emanzipiert. Männer haben hier generell wenig zu sagen. Das größte Problem des Films (für mich) ist der Drache selbst. Der ist eher aus der My Little Pony-Edition – man kann es mit dem Niedlichkeitsfaktor auch übertreiben. Kleine Mädchen werden ihre Freude damit haben, der Rest sollte sich besser gegen den Zuckergussregen wappnen. Davon abgesehen macht der Film aber durchaus Spaß. Kein Meisterwerk, aber ein sehr solider Film, den man sich gerne mal ansehen kann.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Photo by Disney/DISNEY – © 2021 Disney, Quelle http://www.imdb.com)

Don’t Look Up (2021)

Regie: Adam McKay
Original-Titel: Don’t Look Up
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Satire
IMDB-Link: Don’t Look Up


In Adam McKays Satire „Don’t Look Up“, dieser Tage auf Netflix erschienen, reden sich Leonardo DiCaprio und Jennifer Lawrence als Astronomen den Mund fusselig, als sie einen Kometen entdecken, der direkt in Richtung Erde angerauscht kommt. Das Erstaunliche an dem Film ist vor allem sein Timing. Geschrieben 2019, also noch vor der Pandemie und damit verbundenen Massenverblödung durch Covidioten und Verschwörungstheoretiker, greift die Story ziemlich akkurat den Entwicklungen der vergangenen beiden Jahre vor. Präsidentin Orlean (Meryl Streep) ist dabei so etwas wie ein weiblicher Trump, an der die Stimmen der Vernunft abprallen wie die Wellen an der Küste von Dover. Generell konnte man für den Film eine Art Hollywood-Allstar-Cast gewinnen. Jonah Hill, Cate Blanchett (bis zur Unkenntlichkeit als Fernsehtussi aufgeschminkt), Mark Rylance, Timothée Chalamet, Ariana Grande, Ron Perlman, Melanie Lynskey, Tyler Perry, Rob Morgan – niemand wollte es verpassen, seinen Beitrag zu diesem Rundumschlag gegen die Auswüchse von Ignoranz und Dummheit zu leisten. In seinen besten Momenten ist „Don’t Look Up“ eine sehr schwarzhumorige, zynische Abrechnung mit der durch Medienhysterie, Desinformation und politischen Machtspielchen fehlgeleiteten Gesellschaft, die sich rasant zurückentwickelt in Richtung Mittelalter und der damit verbundenen Wissenschaftsleugnung. Die Scharfsinnigkeit McKays kann man schon fast als prophetisch bezeichnen. Mehrmals bleibt einem das Lachen im Hals stecken. Allerdings ist der Film – bei aller Hellsichtigkeit – nicht rundum gelungen, und es gibt genug Raum für Kritik. So passt zum Beispiel das Erzähltempo nicht. Vor allem im Mittelteil schleichen sich etliche Längen ein, und der Film wirkt manchmal etwas unentschlossen, was er mit seiner Vielzahl von Figuren überhaupt anfangen möchte. Auch hätte man interessante Aspekte wie die Spaltung der Gesellschaft angesichts der drohenden Apokalypse noch mehr beleuchten können. Aus leidvoller Erfahrung wissen wir nun, dass die Gräben in einer solchen Situation noch tiefer sind, als es McKay beim Schreiben seines Drehbuchs vermutet hat. Als Fazit lässt sich sagen: „Don’t Look Up“ ist der richtige Film zur richtigen Zeit (auch wenn er nicht das richtige Publikum finden wird), und die Relevanz des Themas bügelt so einige handwerkliche Schwächen glatt.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

tick, tick … BOOM! (2021)

Regie: Lin-Manuel Miranda
Original-Titel: tick, tick … BOOM!
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Musical, Drama, Biopic
IMDB-Link: tick, tick … BOOM!


Dass ich kein großer Fan von Musicals und Musicalfilmen bin, ist, glaube ich, kein großes Geheimnis. Was für eine große Sache „Rent“ war, habe ich tatsächlich erst der im November auf Netflix angelaufenen Musical-Biografie „tick, tick … BOOM!“ von Lin-Manuel Miranda entnommen. Diese zeichnet den steinigen Weg eines jungen, talentierten Künstlers in New York nach. Denn nur selten fällt der Erfolg vom Himmel. Meistens liegen viele Jahre der Frustration und der Niederlagen vor dem Durchbruch. Im Fall von Jonathan Larson, der später mit „Rent“ Broadway-Geschichte schreiben soll, sind es über acht Jahre, die er sich mit seinem ersten Musical abquält. Andrew Garfield wirft sich mit einer couragierten und auch gesanglich überzeugenden Darstellung mitten hinein in die Award Season und hat gute Chancen, auch den einen oder anderen Preis mitzunehmen. Er spielt den begabten Pleitegeier, der sich nur so halb mit einem Kellnerjob über Wasser hält, während er nachts an seinen Songs tüftelt, mit Leib und Seele. Generell hat der Film unglaublich viel Energie und kann dadurch selbst Musical-Muffel wie mich mit etlichen seiner Up-Tempo-Songs mitreißen. Die Balladen hingegen … darf ich was Ketzerisches sagen? Musical-Balladen klingen alle gleich. Und anstatt sich auf den Song zu konzentrieren, grübele ich dabei immer ständig darüber nach, wo ich den Song schon mal gehört habe. Aber egal, die Balladen dominieren in „tick, tick … BOOM!“ ohnehin nicht. Vielmehr ist der Film ein Plädoyer dafür, an seine Träume zu glauben und nicht aufzugeben, auch wenn’s schwierig erscheint. Und dieses Plädoyer wird mit viel Schwung und Enthusiasmus vorgetragen. Dabei ist der Film beileibe kein simpel gestricktes Feelgood-Movie – auch ernste Themen wie Aids, das Anfang der 90er wie eine Seuche unter den jungen Menschen wütete, oder auch die Schwierigkeit, sich der Beziehung mit der gleichen Hingabe wie der Kunst zuzuwenden, werden thematisiert. „tick, tick … BOOM!“ ist ein Musical, das auch dem breiten Publikum genug bietet, um zwei Stunden lang interessant zu sein. Den einen oder anderen Leerlauf oder Song, mit dem man gar nichts anfangen kann, nimmt man dafür dann auch gerne in Kauf.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Photo by MACALL POLAY/NETFLIX © 2021/MACALL POLAY/NETFLIX © 2021 – © 2021 Netflix, Inc., Quelle http://www.imdb.com)

Spider-Man: No Way Home (2021)

Regie: Jon Watts
Original-Titel: Spider-Man: No Way Home
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Science Fiction, Abenteuerfilm, Action
IMDB-Link: Spider-Man: No Way Home


Kaum ein Film wurde in diesem Jahr gespannter erwartet als der dritte, finale Teil der Spider-Man Homecoming-Trilogie. Zum dritten Mal schlüpft in einem Solo-Film Tom Holland in die Rolle der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft – und die hat gleich zu Beginn ein gewaltiges Problem: Am Ende des zweiten Films wurde die Identität von Spider-Man preisgegeben, und noch dazu glaubt die halbe Welt, dass er ein Oberschurke ist, der den Superhelden Mysterio auf dem Gewissen hat. Schlechte Voraussetzungen also für ein chilliges Leben im Big Apple. Auch mit der College-Bewerbung Peter Parkers und seiner Freunde scheint es schwierig zu werden. Also wendet er sich an den einen Menschen, der ihm dank magischer Kräfte vielleicht noch helfen könnte: Doctor Strange (Benedict Cumberbatch). Und der hat tatsächlich eine Idee, nur geht die Ausführung derselben leider fürchterlich schief, weshalb die Probleme, die Peter Parker zuvor noch hatte, plötzlich wie eine Kinderjause aussehen gegen das, was sich nun am Horizont zusammenbraut. „Spider-Man: Far From Home“ erfüllt durchaus die hohen Erwartungen, die an ihn gestellt werden. Ich würde jetzt nicht so weit gehen, diesen Film als die Erlösung zu bezeichnen für alle Marvel-Fans, die der Meinung sind, dass sich das Marvel Cinematic Universe festgetreten hätte, aber der Film greift die erfrischende Leichtigkeit der ersten beiden Spider-Man-Filme auf, schlägt aber parallel dazu deutlich dunklere Töne an und wird gegen Ende hin sogar richtig emotional. Der Spider-Man am Ende hat mit dem Spider-Man am Anfang der Trilogie nicht mehr allzu viel gemeinsam. Die Figur hat sich weiterentwickelt, hat Niederlagen einstecken und im Verlauf vieler Abenteuer schmerzhafte Verluste erfahren müssen. So etwas formt natürlich den Charakter. Und die Trilogie macht alles richtig, indem sie sich auf diese Charakterentwicklung konzentriert. „Spider-Man: Far From Home“ ist ein konsequenter Abschluss dieser Entwicklung, doch auch für sich betrachtet der beste Film der Trilogie. Fans haben ihre helle Freude damit, wie der spontane Szenenapplaus während meines Kinobesuchs bewiesen hat. Aber man muss kein Marvel-Nerd sein, um dieses gut geschriebene und spannend inszenierte Stück Abenteuerkino schätzen zu können.


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: Photo by Courtesy of Sony Pictures – © 2021 CTMG. All Rights Reserved, Quelle http://www.imdb.com)

The Last Duel (2021)

Regie: Ridley Scott
Original-Titel: The Last Duel
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Historienfilm, Drama, Action
IMDB-Link: The Last Duel


Das Mittelalter war schon eine schwierige Zeit. Die Hygienebedingungen waren fürchterlich, an sich gut aussehende Männer wie Matt Damon mussten skurrile Bärte und Frisuren tragen, und mit allen Wassern gewaschene Anwälte gab es auch nicht an jeder Ecke. Stattdessen wurden die Zwistigkeiten dem König vorgetragen, und wenn die Sache unklar war, dann hat man eben auf ein Gottesurteil vertraut – sprich: sich die Köpfe eingeschlagen, und wer am Ende steht, hat recht. Heutzutage hätte der von Adam Driver gespielte Knappe Jacques Le Gris wohl einen Manfred Ainedter verpflichtet, und sie wären bis zur Renaissance nicht fertig geworden mit dem Prozess. So aber bringt der furiose, aber recht mittellose Jean de Carrouges (Matt Damon) seinen Fall eben vor den König, um das Schwert sprechen zu lassen. Was ist passiert? Carrouges sagt, dass seine Frau (Jodie Comer) während seiner Abwesenheit von seinem alten Freund und nunmehrigen Widersacher Le Gris vergewaltigt worden sei. Le Gris hingegen behauptet, sein Besuch hätte in beidseitiger Leidenschaft geendet. Mittendrin: Marguerite, die Frau, die im ganzen Disput zum Besitztum degradiert wird. Wie gesagt, das Mittelalter war eine zache Angelegenheit. Erfrischend ist an Ridley Scotts neuestem Film, dass er die Geschichte aus drei Perspektiven erzählt – eben jener von Carrouge, dann jener von Le Gris und schließlich aus der Sichtweise von Marguerite. Und genau durch diesen Kniff wird klar, wie glitschig manchmal die Wahrheit ist – kaum meint man, sie in den Händen zu halten, rutscht sie auch schon wieder aus den Fingern. Genau dieser Kniff macht den Film aber auch streckenweise etwas zäh. Was hingegen jegliches Gemüt erschüttern wird, ist die ungeschönte Brutalität der Kampfszenen. Hier werden keine halben Sachen gemacht, und Ridley Scott stellt auch jenseits der 80 Jahre keine Altersmilde zur Schau. Ebenfalls hervorragend ist das Schauspiel – von allen. Selbst Ben Affleck als sexsüchtiger und selbstverliebter Fürst war selten besser als in diesem Historienfilm. Die ungewöhnlichen Blickwinkel, der Dreck und Gestank des Mittelalters und eben die darstellerischen Leistungen machen „The Last Duel“ zu einem Film, der zu Unrecht beim Publikum durchgefallen ist. Womöglich liegt es einfach am Timing der Veröffentlichung. Nicht alles passt zu jeder Zeit. Frage nach bei guten Anwälten, die können ein Lied davon singen.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings (2021)

Regie: Destin Daniel Cretton
Original-Titel: Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Fantasy, Action, Eastern
IMDB-Link: Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings


Man sollte gefälligst die Griffel von dubiosen Ringen lassen, das wissen wir seit „Herr der Ringe“. Xu Wenwu (Tony Leung) ist das aber schnurzpiepegal, und er schnallt sich gleich zehn Schmuckstücke über seine Arme, die ihm fortan übermenschliche Kräfte verleihen. Die nutzt er dafür, um das zu tun, was wohl jeder von uns in der Situation tun würde: Er baut ein Imperium des Bösen auf. Doch dann kommt ihm die Liebe in die Quere. Cut – wir gehen in die Gegenwart, nach San Francisco, wo Xu Wenwus Spross Shang-Chi (ein hochgradig sympathischer Simu Liu) seine Brötchen als Parkwächter verdient, was man halt so macht, wenn man der Sohn eines mächtigen Unterwelt-Bosses ist. Seine Kollegin und platonische Freundin Katy (Awkwafina) weiß davon nichts, denn Shang-Chi lässt die Vergangenheit lieber ruhen. Doch die ist quicklebendig und klopft schon bald in Form einer Postkarte an seine Tür. So nimmt das Abenteuer seinen vorhersehbaren und erwarteten Verlauf. So weit, so Standard. Und doch ist „Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“ nicht nur aufgrund seines asiatischen Settings ein kurzweiliger und origineller Beitrag zum Marvel-Universum. Denn endlich gibt es einmal einen Bösewicht, dessen Motivation man gut nachempfinden kann. Zudem wird geschickt fernöstliche Mythologie in die Marvel-Welt integriert. Zwar unterscheidet sich „Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“ damit nicht mehr groß von anderen fernöstlichen Martial Arts-Filmen, die ihre Wurzeln im Mystischen haben, aber das ist nicht unbedingt ein Qualitätskriterium per se. Denn der Film unterhält gut und verbindet Ost und West auf eine sehr unprätentiöse Weise. Viel mehr als gute Unterhaltung möchte der Film auch gar nicht sein – es fehlt ihm vielleicht ein bisschen das Epische der besten Marvel-Filme, aber als kurzweiliges Abenteuer für zwischendurch macht er sich wirklich gut.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Jasin Boland/Jasin Boland – © Marvel Studios 2021. Quelle http://www.imdb.com)

The French Dispatch (2021)

Regie: Wes Anderson
Original-Titel: The French Dispatch
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Komödie, Drama
IMDB-Link: The French Dispatch


Es kommt sehr selten vor, dass mein hochgeschätzter Kollege vom Filmgenuss und ich nicht einer Meinung sind, aber bei Wes Andersons neuestem Werk „The French Dispatch“ haben wir tatsächlich unterschiedliche Auffassungen. Vielleicht liegt es daran, dass ich einer der größten Wes Anderson-Fanboys unter dieser Sonne bin und ich einfach ein besonderes Faible für seine liebevoll arrangierten und absurden Tableaus habe. Seine Filme weisen immer eine ganz eigene Magie auf, die im weltweiten Kino wohl ein Alleinstellungsmerkmal besitzen. In „The French Dispatch“ treibt er seinen Stil noch mal auf die Spitze, und so scheiden sich daran wohl auch die Geister, denn die eigentliche Geschichte rund um den exzentrischen Verlagsleiter eines französischen Ablegers einer amerikanischen Zeitschrift (Bill Murray) rückt hier in den Hintergrund. Vielmehr ist „The French Dispatch“ wie eine Magazinausgabe konstruiert, mit einer kleineren und drei größeren Geschichten aus dem Magazin, die von Geschichte, Kunst, Politik und einem Kriminalfall erzählen. Die Qualität der drei Hauptgeschichten ist dabei uneinheitlich. Während die erste Geschichte rund um einen verurteilten Mörder und Maler vielleicht einer der ganz großen Höhepunkte in Wes Andersons Œuvre ist, fällt die zweite Geschichte zu einer Studentenrevolte doch deutlich ab, wohingegen die finale Story rund um einen Polizeikommissariatskoch und einem überraschenden Entführungsfall wieder mehr Schwung aufnimmt. Doch sind diese Geschichten eben fast schon nebensächlich. Denn im Kern geht es Wes Anderson um das geschriebene Wort. „The French Dispatch“ ist eine Liebeserklärung an Printmedien und beschwört einmal mehr eine Vergangenheit herauf, die in unserer schnelllebigen, technokratischen Zeit nicht mehr reproduzierbar scheint. In diesem Sinne sind Wes Andersons Filme fast schon als museal zu bezeichnen. Auch wenn „The French Dispatch“ nicht der Höhepunkt in Andersons Schaffen darstellt, so ist er für Liebhaber seines melancholisch-absurden Stils ein weiterer Augenschmaus, den man nicht verpassen sollte. Für all jene, die nicht ganz so leicht in seine durchkomponierten Welten hineinfinden, bedeutet der Film hingegen wohl eine Überdosis dieses Stils.


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Eternals (2021)

Regie: Chloé Zhao
Original-Titel: Eternals
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Fantasy, Science Fiction, Abenteuerfilm, Action
IMDB-Link: Eternals


Was für ein großartiger Anfang: Mit Pink Floyds Meisterwerk „Time“ und dessen grandiosem Intro beginnt Chloé Zhaos Reise durch die Zeit und das Marvel-Universum. Ganz ehrlich: Besser kann man einen Film nicht eröffnen. Die Oscarpreisträgerin zeigt hier gleich einmal, dass sie mit ihrem ersten Blockbuster „Eternals“ die ausgetretenen Marvel-Pfade verlassen und ein bisschen mehr Anspruch reinbringen möchte. Und ja, „Eternals“ fühlt sich definitiv anders an als alle anderen Filme des Marvel-Universums, die auf Konstanten setzen wie epische Superhelden mit einem ganz persönlichen Klescher, humorvolle Action und actionreichem Humor sowie einem gut dosierten Wohlgefühl beim Publikum (man kann sich darauf verlassen, dass das Böse unter Einsatz von ausreichend Hieben und lockeren Sprüchen in die Schranken gewiesen wird). „Eternals“ hingegen legt die Geschichte noch weitaus größer und bedrohlicher an. Hier geht’s gleich ins Göttliche. Allerdings wirkt die Geschichte nicht ganz rund, und selbst die Laufzeit von über 2,5 Stunden reicht nicht ganz aus, um die Figuren, die Geschichte und das Setting vertraut zu machen. Man fremdelt ein wenig mit allem. Sei es mit den zehn mit recht banalen Superkräften ausgestatteten Eternals, mit den gefräßigen Widersachern, den Deviants, oder mit der ganzen göttlichen Schöpfungsgeschichte. Alles scheint groß aufgeblasen und episch zu sein, entpuppt sich aber im Kern dann als doch recht einfach, fast schon banal. Großartig ist immerhin die unaufgeregte Diversität, die schon in vielen Kritiken wohlwollend angesprochen wurde. Dem gibt es nichts hinzuzufügen. Es ist schön, dass es Filme gibt, die Diversität aufgreifen und umsetzen, ohne dass das groß zum Thema gemacht wird. So können auch mal talentierte Schauspieler:innen aus der zweiten Reihe glänzen, und die nominellen Superstars wie Angelina Jolie oder Salma Hayek haben kein Problem damit, sich als Nebenfiguren einzugliedern. Der Cast macht seine Sache gut, auch wenn es dann vielleicht doch etwas an Tiefgang fehlt. Das Thema der unsterblichen Held:innen hätte man durchaus noch differenzierter betrachten können. Sehr schön hingegen sind die Sprünge durch die Zeit, der Aufbau der Zivilisation, die Reise durch die Menschheitsgeschichte. Irgendwie beschleicht mich da das Gefühl, dass sich der Stoff als Serie besser gemacht hätte, denn gerade diesen Aspekt, das vorsichtige Leiten der Menschheitsgeschichte durch die Eternals, hat mich persönlich fast am meisten interessiert. Insgesamt ist „Eternals“ ein sehenswerter Film, der sich deutlich vom üblichen Marvel-Universum abhebt (was man nun je nach persönlichen Präferenzen gut oder eher nicht so gut finden kann), der aber leider dann in vielen Belangen doch eher Stückwerk bleibt.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)