Ari Aster

Midsommar (2019)

Regie: Ari Aster
Original-Titel: Midsommar
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Horror, Thriller, Drama
IMDB-Link: Midsommar


Der legendäre Hans Huber wusste es schon lange, nachzusehen auf Youtube: „Die Schweeeeeeden sind ein ganz harter Brocken.“ Und so ist trotz schönstem Wetter und langer Tage während des Midsommar-Fests in einer entlegenen schwedischen Kommune bei weitem nicht alles eitel Sonnenschein, wie Dani (Florence Pugh), die sich kurzerhand ihren Freunden bei diesem ethnologisch interessanten Trip angeschlossen hat, im Verlauf von Ari Asters Horrordrama feststellen muss. Dabei hätte Dani ein bisschen Ruhe und Abstand gebraucht, nachdem sich ihre depressive Schwester umgebracht hat und dabei auch noch gleich ihre Eltern mitgerissen hat. Freund Christian (Jack Reynor, das Ergebnis einer wilden Party der Gene von Chris Pratt und Chris Hemsworth) ist keine große Unterstützung. Immerhin bietet sich hier in der Kommune seines schwedischen Kumpels Pelle (Vilhelm Blomgren) die Möglichkeit einer interessanten Abschlussarbeit in Anthropologie. Doch Vorsicht, hätten sie bloß Herbert Prohaska dabei gehabt: Seine Warnung „Da san a poa Hurnkinda dabei“ wäre wohl nicht ungehört verhallt. Aber gut, der Mensch lernt durch Erfahrungen. Das einzige Problem: Diese Erfahrungen müssen erst mal überlebt werden, damit man von ihnen lernen kann. Ari Aster hat ein richtig stimmungsvolles und gleichzeitig abgründiges Horrordrama vorgelegt, das eingefleischte Horroraficionados ob des Mangels an Schreckmomenten wohl eher enttäuschen wird. Vielmehr schleicht sich das Grauen auf leisen Füßen ein. Es ist genau dieser Kontrast zwischen den in der Mittagssonne grell ausgeleuchteten Szenen und der rätselhaften Handlung, die die Stimmung immer bedrückender macht. „Midsommar“ ist kein Horrorfilm im klassischen Sinne, eher ein langsamer, aber unentrinnbarer Strudel ins Herz des Mystischen und der Folklore. In Schweden wird der Film angeblich als schwarze Komödie gefeiert. So kann man es auch sehen. Jedenfalls ist „Midsommar“ ein starker Film, der sich alle Zeit nimmt, die er für seine Geschichte braucht, doch die Zeit ist gut investiert, denn viele Bilder und Szenen lassen einen lange nicht mehr los.


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: Photo by Gabor Kotschy – © A24, Quelle http://www.imdb.com)

Hereditary – Das Vermächtnis (2018)

Regie: Ari Aster
Original-Titel: Hereditary
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Horror
IMDB-Link: Hereditary


Die in der Menschheitsgeschichte am meisten gestellte Frage ist wohl die nach dem Warum. Eine solche Frage stellte ich mir gestern auch wieder: Warum sitze ich Schisser allein im Kino in einem Horrorfilm, der noch dazu als besonders furchteinflößend beschrieben wird? Eine mögliche Antwort: Als Filmliebhaber sollte ich halt für alle Genres offen sein. Jedenfalls saßen ich und mein Popcorn (damit ich nicht ganz so allein war) hinter und neben und vor jungen Pärchen, die ihre Beziehung durch gemeinsame Grenzerfahrungen zu stärken versuchten. Das schien zu funktionieren. Auch meine Beziehung zum Popcorn wurde während der zwei Stunden von „Hereditary“ vertieft. Die Grundprämisse ist eine simple: Mutter (die überragende Toni Collette) von zwei Kindern samt stoischem Ehegatten (Gabriel Byrne, schön, ihn wieder mal gesehen zu haben) trauert um ihre Mutter, zu der sie ein ambivalentes, kaltes Verhältnis hatte, die aber gemeinsam mit der Familie die letzten Jahre unter einem Dach gewohnt hat. Und wie das so ist mit Familienbanden – ganz scheinen die auch nicht zu reißen, wenn Omi schon mit den Englein singen sollte. Offenbar ist es aber im Himmel fad, oder ihr wurde schlicht der Eintritt verwehrt, jedenfalls mehren sich die Zeichen, dass Omi hier im Haus noch was zu tun hat. Auch die Kinder sind irgendwie neben der Spur – der ältere Sohn fühlt sich missverstanden und ungeliebt, die jüngere Tochter scheint ihre Siebensachen nicht ganz beisammen zu haben, wirkt abwesend und macht ständig Klickgeräusche. (In „A Quiet Place“ hätte sie keine zwei Minuten überlebt.) Und wie das so ist bei Horrorfilmen, beginnt alles recht gemächlich, aber nach und nach werden die Daumenschrauben angezogen. Dabei ist „Hereditary“ ein Film, der nicht auf Schockeffekte durch billige Jump-Scares aus ist, sondern dem Zuseher das Gruseln nachhaltig beibringen will – über die gut gezeichneten und herausragend gespielten Figuren. Zeitweise könnte der Film auch eine magisch-realistische Abhandlung über Trauerarbeit sein – aber gegen Ende hin wird klar, dass das viel zu kurz gegriffen wäre und der Film Böses mit einem vor hat. Die letzten zwanzig Minuten konnte ich sehr konzentriert den Bezug des Kinosessels vor mir bewundern. Und mir die eingangs erwähnte Warum-Frage stellen.


7,0
von 10 Kürbissen