Regie: Béla Tarr
Original-Titel: Sátántangó
Erscheinungsjahr: 1994
Genre: Drama
IMDB-Link: Sátántangó
Susan Sontag meinte einst, dass ihr „Satanstango“ so sehr imponiere, dass sie ein Ritual daraus gemacht hätte, diesen einmal pro Jahr zu sehen. Nun muss man wissen, dass „Satanstango“ von Béla Tarr, die gleichnamige Verfilmung des Romans von László Krasznahorkai (der auch am Drehbuch mitgearbeitet hat), eine Laufzeit von stattlichen 450 Minuten, also 7,5 Stunden, hat. Das allein wäre ja noch nicht so wirklich abschreckend – wenn man gut unterhalten wird, vergeht auch so eine Arbeitstaglänge recht schnell. Doch wenn man nun mitberücksichtigt, dass es sich bei dem Film um ein sehr düsteres, deprimierendes und handlungsarmes Schwarz-Weiß-Drama handelt, das bei einer Laufzeit von 7,5 Stunden mit nur 150 Schnitten auskommt, gerät man im Vorfeld ein bisschen ins Grübeln, ob man sich das tatsächlich antun möchte – und dann vielleicht sogar noch jedes Jahr. Und ja: „Satanstango“ in einem Durchlauf (mit Pinkelpausen) anzusehen, ist schwere Arbeit, und man ist danach gerädert und reif fürs Bett. Man fühlt sich ein bisschen wie von einer Planierraupe überfahren – und zwar jener in der denkwürdigen Szene in „Austin Powers“ (kann hier nachgeguckt werden). Dennoch. Wer sich darauf einlässt (und sich in der geeigneten physischen wie psychischen Verfassung für den Film befindet), macht eine Filmerfahrung wie noch keine jemals zuvor – das ist ein Versprechen. Irgendwann versinkt man in den Dauerregen, den Matsch, die bröckelnden Häuser, den Schimmel, die leeren Blicke der Dorfbewohner – die Tristesse wird hier zur Kunstform erhoben und die Schrauben drehen sich unerbittlich fester und fester – es gibt kein Entrinnen, weder für die Protagonisten, noch für die Zuseher. Der Inhalt ist im Grunde rasch erzählt: In einem fast verlassenen Dorf fristen die armen Dorfbewohner ihr kärgliches Dasein zwischen Alkoholexzessen und Misstrauen. Sie wollen alle weg aus diesem Dorf, gleichzeitig versuchen sie, sich gegenseitig aufs Ohr zu hauen. Die Ankündigung, dass der für tot geglaubte Irimiás mit seinem Freund Petrina ins Dorf kommen wird, versetzt sie in Aufregung. Irimiás scheint für sie ein Ausweg zu sein. Doch er ist ein falscher Prophet. Nicht nur, dass er als Polizeispitzel arbeitet, er bringt die Dorfbewohner auch noch um ihr Geld und später um ihre Träume, die sich zwischen Nebel und Regen langsam auflösen. Könnte man diese Geschichte kürzer erzählen? Natürlich! Und doch hat man am Ende das Gefühl, dass jede dieser gerade gesehenen 450 Minuten notwendig war – denn erst dadurch begreift man die Trostlosigkeit der Dorfbewohner in ihrem ganzen Ausmaß. „Satanstango“ entwickelt dabei einen überwältigenden Sog und stellt sämtliche Sehgewohnheiten auf den Kopf, wenn beispielsweise die Kamera noch minutenlang in einem leeren Raum verbleibt, während man nur noch hört, wie draußen die Türen geschlossen werden und die Schritte langsam verhallen. Jeder Moment wird ausgekostet bis zum Gehtnichtmehr und entwickelt darin eine seltsame Schönheit. Und auch auf die Menschen entwickelt man dank der minutenlangen Einstellungen einen völlig neuen Blick. Man erkennt sie in ihrer Ganzheit – ihre Träume und Sehnsüchte genauso wie ihre Fehler und Abgründe. Sie müssen dabei gar nicht viel sagen. Es reicht, wenn die Kamera auf ihre Gesichter hält, in denen sich alles abspielt, was man wissen muss. Ein Film wie kein Zweiter – allerdings auch kein Film, den man sich mal so nebenbei ansehen kann. „Satanstango“ verlangt einem alles ab.
9,5
von 10 Kürbissen