Hirokazu Koreeda

Broker (2022)

Regie: Hirokazu Koreeda
Original-Titel: Beurokeo
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Drama, Krimi
IMDB-Link: Beurokeo


Hach, die Viennale und ihre Feelgood-Filme. Begonnen hat alles vor 60 Jahren als „Festival des heiteren Films“, und dieser Linie ist man bis heute treu geblieben, was der diesjährige Überraschungsfilm „Broker“ von Hirokazu Koreeda unterstreicht. In dieser leichten koreanischen Komödie geht es um lustige Themen wie Kindsweglegung, Menschenhandel und Mord. Der Saal hat sich gebogen vor Lachen. Das ist genau diese Art von Unterhaltung, die man in politisch düsteren Zeiten wie heute braucht. Aber jetzt mal Spaß beiseite. „Broker“ schlägt in eine ähnliche Kerbe wie Shoplifters – Familienbande, mit der Koreeda vor einigen Jahren die Goldene Palme in Cannes gewinnen konnte. Aus ungewöhnlichen und tragischen Umständen formt sich so etwas wie eine Familie. In diesem Fall besteht die Familie aus zwei „Brokern“, die weggelegte Babys für gutes Geld an kinderlose Paare verkaufen, der leiblichen Mutter selbst, einer Prostituierten, die nach einem Todesfall auf der Flucht ist, einem ausgebüxten Waisen und natürlich dem Baby selbst. Mutter und Broker verfolgen das gleiche Ziel: Den kleinen Woo-sung verkaufen – die Broker des Geldes wegen, die Mutter, damit sie das Kind in guten Händen weiß. Auf ihren Fersen sind aber zwei Polizistinnen, die die Menschenhändler auf frischer Tat ertappen wollen, sowie ein Schläger der lokalen Mafia. Was allerdings mehr als der Krimi bzw. die kriminelle Handlung selbst im Vordergrund steht, ist eben dieses vorsichtige Entstehen einer fragilen Beziehung zwischen allen Beteiligten, wobei hier selbst die beiden Polizistinnen davon berührt werden. Das alles ist mit leichter Hand und viel Sensibilität erzählt – hier zeigt sich die inszenatorische Stärke Koreedas. Weniger gelungen ist der Handlungsrahmen der polizeilichen Ermittlungen, der doch stark aufgesetzt wirkt, auch wenn die Entwicklung darin der Geschichte dient. So erreicht der Film vielleicht nicht ganz die Stringenz von „Shoplifters – Familienbande“, ist aber ein weiterer gelungener Beitrag Koreedas zum Thema Familie und wichtigen ethischen Fragen, die damit verbunden sind.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Shoplifters – Familienbande (2018)

Regie: Hirokazu Koreeda
Original-Titel: Manbiki Kazoku
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Krimi
IMDB-Link: Manbiki Kazoku


Der goldene Staubwedel der Côte d’Azur ging 2018 nach Japan. Hirokazu Koreeda überzeugte die Jury von Cannes mit seinem Film „Manbiki Kazoku“, in dem er verhandelt, was in einer modernen Gesellschaft (und an deren Rand) Familie bedeutet. Der Film reiht sich ein in eine Reihe von großartigen Werken, die sich 2018 mit Fragen zu Familie und Familienzusammensetzung beschäftigt haben. Auch andere Filme wie beispielsweise „Meine Tochter„, „Leave No Trace“ oder „Glücklich wie Lazzaro“ behandeln die – oft selbst gewählte – Zusammensetzung von Familien. Irgendwas ist da also. Familie im 21. Jahrhundert scheint ein vielfältig ausgeprägtes Konstrukt zu sein. Und „Manbiki Kazoku“ fügt dem eine spannende Perspektive hinzu. Denn was auf den ersten Blick nach einer völlig normalen Familie aussieht (abgesehen davon, dass ein Teil des Lebensunterhalts auf nicht ganz legale Weise, nämlich durch Ladendiebstahl, gesichert wird), entpuppt sich im Laufe der Zeit als sehr heterogene Zweckgemeinschaft mit unterschiedlichsten Wurzeln. Und damit wird dem Zuseher die Frage gestellt: Was ist es, was uns als Familie tatsächlich verbindet? Allein das Blut wäre entgegen aller anderslautenden Beteuerungen ein sehr dünner Saft. Da muss es also mehr geben, und „Manbiki Kazoku“ zeigt dieses Mehr auf, als ein fünfjähriges Mädchen neu in das Patchwork hineingenäht wird. Allein das macht den Film schon mal hochgradig interessant. Dazu ist er toll gespielt, vor allem von den Kinderdarstellern (mit denen ist es ja oft so eine Sache, da Kinder gerne mal zu Overacting neigen). „Manbiki Kazoku“ berührt sehr und beschäftigt den Zuseher gedanklich auch nach dem Abspann noch länger. Allerdings ist er nicht frei von Längen. Zwar wird die Laufzeit von über zwei Stunden gut genutzt, um die Charaktere weiter auszuarbeiten, das geschieht allerdings fast beiläufig in vielen kleinen Szenen, die mitunter Sitzfleisch erfordern. Ich habe den Eindruck, dass man das etwas straffen hätte können. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau.

 


8,0
von 10 Kürbissen