Maria Schrader

She Said (2022)

Regie: Maria Schrader
Original-Titel: She Said
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Drama
IMDB-Link: She Said


Wie wichtig der unabhängige Journalismus als vierte Gewalt des Staates ist, zeigt sich an Maria Schraders Drama „She Said“, das die Ermittlungen der beiden New York Times-Journalistinnen Megan Twohey (Carey Mulligan) und Jodi Kantor (Zoe Kazan) gegen den einflussreichen Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein nachzeichnet. Bis zum Bekanntwerden seiner unzähligen sexuellen Missbräuche und Vergewaltigungen durch den New York Times-Artikel war Weinstein sakrosankt. Die Clintons, die Obamas, Quentin Tarantino und viele mehr pflegten eine Freundschaft zu dem mächtigen Oscarpreisträger, und auch wenn über lange Zeit wohl bekannt war, dass Weinstein die Besetzungscouch wortwörtlich nahm, so brauchte es erst zwei junge Journalistinnen aus New York, um seinem Treiben ein Ende zu setzen. Mulligan und Kazan sind Idealbesetzungen. Beide spielen glaubwürdig und kontrolliert und zeigen neben ihrer professionellen Arbeit auch private Herausforderungen, die sich durch die Tatsache stellen, dass beide junge Kinder zuhause haben, also mehrere Rollen – jene der Journalistin, jene der Mutter und jene der Ehefrau – simultan ausfüllen müssen. Ganz nebenbei gelingt es Regisseurin Maria Schrader, neben der spannenden Investigativjournalismus-Geschichte auch noch einen Kommentar abzugeben zu der Schwierigkeit für Frauen, Privates und Berufliches unter einen Hut zu bringen, ohne dass dieser Aspekt effektheischend in den Vordergrund gerückt wird. Diese Schwierigkeit schwingt einfach ständig im Subtext mit, ohne sich aufzudrängen und wirkt gerade deshalb so authentisch. In Aufbau, Thema und Tonalität erinnert „She Said“ an den Oscar-Gewinner „Spotlight“, doch ist „She Said“ für mich der noch deutlich stärkere Film, da er noch konzentrierter wirkt und mit den Darstellungen von Mulligan und Kazan auch noch eine emotionale Bindung zum Zuseher findet, die dem sperrigeren „Spotlight“ – bei allen sonstigen Qualitäten des Films – verwehrt blieb.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von JoJo Whilden/Universal Pictures – © Universal Studios. All Rights Reserved, Quelle http://www.imdb.com)

Vor der Morgenröte (2016)

Regie: Maria Schrader
Original-Titel: Vor der Morgenröte
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Drama, Biopic, Historienfilm
IMDB-Link: Vor der Morgenröte


Josef Hader ist schon ein Guter. Kaum eine Figur könnte seinem Simon Brenner aus den Verfilmungen der Wolf Haas-Romane weiter entfernt sein als Stefan Zweig. Und doch wird Hader in Maria Schraders „Vor der Morgenröte“ zu eben diesem. Der Film erzählt die letzten Jahre Zweigs im Exil – in Argentinien, in New York, schließlich in Petrópolis, Brasilien. Der bedachte Kopfmensch bemüht sich, das große Ganze im Blick zu behalten und nicht ein ganzes Volk zu verteufeln, auch wenn das die Reporter und viele seiner Schicksalsgenossen und Dichterkollegen von ihm wünschen würden. Er ist besorgt, aber gleichzeitig als Intellektueller und wohlhabender Mann, der flüchten konnte, privilegiert. Daraus baut Maria Schrader das Porträt eines Mannes, der hin- und hergerissen ist zwischen den Schrecken seiner Zeit und dem schlechten Gewissen, einer der wenigen Überlebenden zu sein und als solcher Verantwortung zu tragen, die er nicht in dem Umfang annimmt bzw. annehmen kann, der ihm gerechtfertigt erscheint. Gleichzeitig ist „Vor der Morgenröte“ ein exzellent gefilmter Clash of Cultures. Wenn auf einer brasilianischen Farm im Nirgendwo eine Blasmusikkapelle aufmarschiert und mit schiefen Tönen den Donauwalzer intoniert, während sich der Bürgermeister vor Stolz, einen solch bedeutenden Schriftsteller bei sich zu haben, kaum halten kann, und dann die Kamera ins Gesicht von Hader zoomt und der Zuseher seine feuchten Augen bemerkt, erzählt der Film unglaublich viel über Heimat und Fremdheit. Ein ganz großer Wurf.


8,0
von 10 Kürbissen

(Foto: Filmladen)