Regie: Martin Šulík
Original-Titel: The Interpreter
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Roadmovie
IMDB-Link: The Interpreter
Es gibt wahrlich ungünstigere Voraussetzungen für einen Film als ein Aufeinandertreffen der beiden Altmeister Peter Simonischek und Jiří Menzel in den Hauptrollen in einer ungewöhnlichen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Simonischek spielt hier den Sohn eines ehemaligen SS-Offiziers, der in der Slowakei Juden ermorden ließ. Menzel spielt Ali Ungár, den Sohn einer ermordeten Familie. Und eigentlich möchte Ungár bei seinem Wien-Besuch den Mörder seiner Familie stellen und ihm dann persönlich den Garaus machen für die Gräueltaten, die er begangen hat. Allerdings stellt er fest, dass er zu spät kommt. Und durch eine ungewöhnliche Bitte Georg Graubners (Simonischek) machen sich die beiden grundverschiedenen Charaktere, deren Väter auf völlig unterschiedlichen Seiten der Geschichtsbücher standen, auf den Weg in die Slowakei und auf eine Spurensuche, die schon bald beider Leben durcheinander rüttelt. An sich wäre das Stoff für ein wirklich exzellentes Drama, vor allem, wenn man auf solche erfahrenen Schauspielgiganten vertrauen kann. Aber darin liegt das Problem in Martin Šulíks „Dolmetscher“: Er vertraut der Geschichte nicht so recht. So müssen Simonischek und Menzel teils arg gestelzte und sehr unnatürlich wirkende Dialogzeilen von sich geben und ihre Figuren auch immer wieder ins Klamaukhafte ziehen, sei es beim Baden, wenn der fröhliche Lebemann Graubner mit Wohlstandswampe zunächst lachend ins Thermalbad hüpft, um sich anschließend von jungen Slowakinnen, die alle Klischees, die man so erwartet, vereinen, massieren zu lassen, während Ungár griesgrämig am Pool sitzt. Ja, wir haben es verstanden: Graubner ist gut drauf, weil er verdrängt, Ungár ist griesgrämig, weil seiner Familie ein unfassbar tragisches Schicksal widerfahren ist. Das alles wird mit Musik untermalt, die zum Einen ständig das gleiche Thema wiederholt (ich denke mal, der Komponist war hier echt günstig) und zum Anderen geklaut wirkt aus hundert deutschen Befindlichkeitsdramen der jüngeren Vergangenheit. Das Ende geht dennoch unter die Haut und lässt einen ansonsten eher nervigen Film länger nachwirken. Ein seltsam uneinheitliches Ding mit großem Potential, das mit Ausnahme der letzten zehn Minuten so gut wie nie ausgeschöpft wird.
4,5
von 10 Kürbissen
(Foto: Filmladen)