Noah Baumbach

Weißes Rauschen (2022)

Regie: Noah Baumbach
Original-Titel: White Noise
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Komödie, Drama
IMDB-Link: White Noise


Noah Baumbach hat eine sehr eigene, durchaus lakonische Sicht auf die Dinge. Unter seiner Regie sind einige bemerkenswerte Filme wie Marriage Story oder „Frances Ha“ entstanden, letzterer mit seiner nunmehrigen Lebensgefährtin Greta Gerwig in der Hauptrolle, die wiederum ihrerseits sehr umtriebig ist (auf ihre Barbie-Verfilmung mit Margot Robbie und Ryan Gosling in den Hauptrollen freue ich mich schon besonders). Das neueste Werk, „Weißes Rauschen“, ist mit Sicherheit Baumbachs ambitioniertestes. Die Millionen, die Netflix in den Film gepumpt hat, werden in einen überragenden Cast (Adam Driver, Don Cheadle, natürlich Greta Gerwig und in einer Nebenrolle am Schluss Lars Eidinger) und überzeugende Spezialeffekte investiert, und doch bleibt der Film zuallererst ein typischer Baumbach-Film. Es passiert nicht viel, Menschen reden aneinander vorbei und treffen sich in Supermärkten. Für die literarische Vorlage hat Don DeLillo gesorgt, doch ist „Weißes Rauschen“ mehr Baumbach als DeLillo. Adam Driver spielt ein kurioses Mash-Up aus Woody Allen und Jeff Goldblum (die Dialogzeilen und die verhuschten Blicke scheinen von Woody Allen zu stammen, der körperliche Stoizismus, der die Dialoge begleitet, von Jeff Goldblum), und Greta Gerwig ist mit 80er-Jahre-Locken kaum wiederzuerkennen. Als Oberhäupter einer Patchwork-Familie müssen sie sich mit den Folgen eines Chemie-Unfalls auseinandersetzen, der das Familienleben auf eine harte Belastungsprobe stellt. Die scheinbare Nahtod-Erfahrung legt Risse frei, die sich unterhalb der Oberfläche durch die Familie ziehen. Das alles wird aber dermaßen nüchtern und beiläufig erzählt, dass es schwer ist, eine Bindung zu den Figuren aufzubauen. Schlimmer noch: Abgesehen von ein paar wirklich gelungenen Szenen plätschert der Film dermaßen ereignisarm vor sich hin, dass man Gefahr läuft, auf dem Sofa friedlich einzubüseln. „Weißes Rauschen“ macht es dem Zuseher nicht leicht. Wenn der Abspann mit einer witzigen Tanzeinlage der gefühlte Höhepunkt des ganzen Films ist, dann läuft in den zwei Stunden davor etwas grundlegend falsch. Es gibt zugänglichere Baumbach-Filme.


5,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von WILSON WEBB/NETFLIX © 2022/WILSON WEBB / NETFLIX ©2022 – © 2022 NETFLIX, Quelle http://www.imdb.com)

Marriage Story (2019)

Regie: Noah Baumbach
Original-Titel: Marriage Story
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Komödie
IMDB-Link: Marriage Story


Adam Driver hat in der letzten Zeit ein bisschen Pech mit seinen Filmbeziehungen. Für Kylo Ren sieht es in Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers nicht so gut aus, und jetzt muss er sich in „Marriage Story“ von Noah Baumbach sogar von Scarlett Johansson scheiden lassen. Armer Teufel. Was die Sache verkompliziert: Nicole und Charlie verbrachten die letzten gemeinsamen Jahre mit ihrem Sohn Henry in New York, wo sie eine Theatergruppe leiteten. Im Zuge der Scheidung zieht Nicole nun mit Henry wieder nach Los Angeles zu ihrer Familie, und aus einer ursprünglich möglichst amikal gehaltenen Scheidung wird – dank gerissener Anwälte (Laura Dern und Ray Liotta) – eine sündteure Schlammschlacht um das Sorgerecht. Und alle Bemühungen des sich trennenden Paares, möglichst würdevoll und im Interesse des gemeinsamen Sohnes auseinanderzugehen, werden durch komplizierte Verwicklungen des Gesetzes unterlaufen. Dabei gelingt es Noah Baumbach immer wieder, trotz der Tragik auch Herz erwärmende Szenen oder gar Schmunzler unterzubringen. „Marriage Story“ kann zwei ganz große Qualitäten abrufen: Ein überragend gut geschriebenes Drehbuch, das nuanciert und subtil zwischenmenschliche Beziehungen auslotet. Und zwei Darsteller in Hochform. Sowohl Scarlett Johansson als auch Adam Driver wurden für ihre Leistungen für viele Preise, darunter den Golden Globe und die SAG-Awards, nominiert, und eine Oscarnominierung scheint der unausweichliche nächste Schritt zu sein. Während sich Adam Driver da wohl übermächtiger Konkurrenz stellen muss, schätze ich Scarlett Johanssons Chancen, den goldigen Glatzkopf mit nach Hause zu nehmen, recht gut ein. Verdient hätten es beide – denn sowohl Johansson als auch Driver spielen ihre Figuren mit Leib und Seele und einem tollen Gespür für die Qualen der zerrissenen Seele, die bei einer solchen Trennung tief drinnen zu spüren sind. Die eine oder andere Nebenfigur gerät zu sehr zur Karikatur – das verhindert eine noch bessere Bewertung des Films – aber insgesamt ist „Marriage Story“ Baumbachs bisheriges Meisterstück und einer der interessantesten und ehrlichsten Filme des Jahres.


8,0
von 10 Kürbissen

The Meyerowitz Stories (New and Selected) (2017)

Regie: Noah Baumbach
Original-Titel: The Meyerowitz Stories (New and Selected)
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Komödie, Drama
IMDB-Link: The Meyerowitz Stories (New and Selected)


Adam Sandler kann schauspielen. Was man seit „Punch Drunk Love“ von Paul Thomas Anderson vielleicht schon ahnte, wurde mit „The Meyerowitz Stories (New and Selected)“ von Noah Baumbach 2017 Gewissheit. Gebt dem Mann einfach eine Rolle, in der er seinen Dackelblick zielbringend einsetzen kann – und das Ding läuft. Wenn auch noch ein fatalistischer Ben Stiller, ein stoisch-komischer Dustin Hoffman, eine überspannte Emma Thompson und eine depressive Elizabeth Marvel zur Seite stehen, ist erstens das Patchwork komplett und zweitens das Ergebnis komischer als es klingt. Eigentlich handelt „The Meyerowitz Stories“ von nicht viel. In einer jüdischen Familie, die vom dominanten Vater (Hoffman), einem Künstler, dem nie die Anerkennung zuteil wurde, die er sich selbst gewünscht hätte, dominiert wird, versuchen die beiden Söhne (Sandler und Stiller) sowie die Tochter (Marvel), ihren eigenen Weg zu finden – was angesichts der langen Schatten, die der Vater wirft, nicht so einfach ist. Eigentlich plätschert der Film so vor sich hin, ohne wirklich zu zünden. Gleichzeitig ist das Geschehen aufgrund der klug geschriebenen und gut gespielten Figuren zu jedem Zeitpunkt interessant. Was irgendwie auch die Quintessenz von Noah Baumbach-Filmen beschreibt. Vielleicht hätte man sich eine stringentere Geschichte gewünscht, eine festere Hand in der Figurenführung – aber ganz ehrlich: Das Leben ist nun mal ein zuweilen zäh fließendes Ding, das hauptsächlich durch unsere Neurosen aufgepeppt wird. Und diese Stimmung fängt Noah Baumbach – mal wieder – sehr gut ein. Fazit: Es lohnt sich definitiv, da mal einen Blick hineinzuwerfen, vor allem, wenn man Sandler bislang nur aus den halblustigen bis gar nicht lustigen überdrehten Komödien kennt, mit denen er hauptsächlich seine Kohle gescheffelt hat.


7,0
von 10 Kürbissen