Stefan Ruzowitzky

Hinterland (2021)

Regie: Stefan Ruzowitzky
Original-Titel: Hinterland
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Krimi, Thriller, Historienfilm
IMDB-Link: Hinterland


Man will es sich als wohlstandsverwahrlostes, verhätscheltes Kind der 80er ja gar nicht vorstellen, was unsere Urgroßväter und -mütter mitmachen mussten. Vier Jahre lang Krieg, den man noch dazu verloren hat, der alte Kaiser ist tot, der neue im Exil, von den Fahnenmasten flattern so seltsame rot-weiß-rote Fahnen, und man versucht herauszufinden, was dieses seltsame Konstrukt der Republik nun bedeutet. In diese fremde Welt wird der Kriegsheimkehrer Peter Perg (Newcomer Murathan Muslu) hineingeworfen. „Für Gott, Kaiser und Vaterland“ war einmal. Heute ist er, der ehemalige Spitzeninspektor der Wiener Polizei, ein Niemand. Noch dazu werden alte Gefährten bestialisch gemeuchelt. Irgendjemand hat es auf Kriegsheimkehrer abgesehen, die er zunächst grausam foltert und dann schön drapiert zur Schau stellt. „Sieben“ lässt grüßen. Also muss sich Perg, seelische Verwundungen hin oder her, der Sache stellen. „Hinterland“ von Stefan Ruzowitzky ist ein expressionistischer Albtraum – die (computergenerierten) Wände der Stadt stehen schief und spiegeln die Schieflage, in der sich die ganze Gesellschaft befindet. Die Morde könnten grauslicher nicht sein, die Mienen sind verzerrt, die Blicke leer, und stinken wird’s auch, so ungewaschen, wie die Leute aussehen. Das alles verfehlt seine Wirkung nicht – selten zuvor habe ich Wohlstandskind drastischer nachempfinden können, was es heißt, in eine kriegsversehrte Welt hineingeworfen zu werden. Ein ganzes Land hat sich selbst verloren. Das wird in „Hinterland“ erlebbar. Allerdings ist Ruzowitzky halt auch jemand, der gerne dick aufträgt. Gerade das Ende versucht sich, in jeder Sekunde selbst zu übertreffen, was dazu führt, dass der Film von einer Klischeefalle in die nächste schlingert. Eine interessante und empfehlenswerte Seherfahrung bleibt „Hinterland“ dennoch. Man hätte sich nur gewünscht, dass die Story der außergewöhnlichen Qualität der Bilder folgen kann.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Photo by freibeuter film – © freibeuter film, Quelle http://www.imdb.com)

Die Hölle – Inferno (2017)

Regie: Stefan Ruzowitzky
Original-Titel: Die Hölle – Inferno
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Thriller
IMDB-Link: Die Hölle – Inferno


Mit Spannung wurde der neue Film von Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky erwartet. „Die Hölle“ soll ein knallharter Thriller made in Austria sein. Und es beginnt gleich mal vielversprechend: Die Taxifahrerin und Thaiboxerin Özge, die einige ungelöste Wutprobleme mit sich herumträgt, wird Augenzeugin eines bestialischen Mordes in der Wohnung gegenüber. Blöd nur, dass der Täter, der im Dunkeln bleibt, mitbekommt, dass Özge hinüberspechtelt. Der rassistische Polizist (gespielt von Tobias Moretti, der sichtlich Freude daran hat, mal das Arschloch zu sein) ist auch keine große Hilfe. Soll sie doch schauen, wo sie bleibt, notfalls zeigt man ihr halt, wie sie sich selbst verteidigen kann. Und natürlich – allmählich laufen die Dinge aus dem Ruder, und Özges Leben ist in Gefahr. Allerdings hat sie keinen Bock darauf, das Opferlamm zu sein, also packt sie selbst ordentlich mit an. Das ist auch die größte Stärke des Films neben der Milieuschilderung von Österreichern zweiter Generation: Özge ist kein Mädchen, das gerettet werden muss, sondern teil selbst kräftig aus, ohne dass aus dem Film ein Rache-Epos a la „Kill Bill“ wird. Das Setting bleibt realistisch. Gleichzeitig tappt der Film allerdings in so ziemlich jede Klischeefalle, die man sich vorstellen kann. Immer, wenn man meint: ‚Also, es wäre schon verdammt abgedroschen, wenn sie jetzt das bringen würden“, kann man schon einen Hunderter darauf verwetten, dass der Film im nächsten Moment genau das bringt. Jedes Mal. Und so ist „Die Hölle“ am Ende ein leider extrem uninspiriertes, manchmal sogar ziemlich dummes, aber nicht unspannendes Handwerksstück.


5,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Luna Filmverleih)